Das Bourne Imperium
sah sich einer ganzen Phalanx von Chinesinnen gegenüber. Sie wirbelte nach rechts, rannte in die nächste Gasse, die von der Straße wegführte, um plötzlich zu entdecken, dass es sich um eine Sackgasse handelte, die an der Mauer eines chinesischen Tempels endete. Und da geschah es wieder! Fünf junge Männer – Teenager in paramilitärischer Kleidung – tauchten plötzlich aus einer Türnische auf und winkten sie mit Handbewegungen weiter.
»Yankee- Verbrecher ! Yankee- Dieb !« Die jungen Männer hakten die Arme ein und hielten den Mann mit dem kurz gestutzten Haar auf, ohne dabei gewalttätig zu werden, pressten ihn gegen eine Mauer.
»Aus dem Weg, ihr Arschlöcher !«, schrie der Ledernacken. »Geht mir aus dem Weg, oder es ergeht euch schlecht, ihr Flegel!«
»Wenn Sie die Arme heben … oder eine Waffe …« rief eine Stimme im Hintergrund.
»Von einer Waffe habe ich nichts gesagt!«, rief der Soldat vom Victoria Peak.
»Aber wenn Sie es tun«, fuhr die Stimme fort, »werden die die Arme lösen und fünf Di-di Jing Cha – von denen viele von unseren amerikanischen Freunden ausgebildet sind – werden ganz sicher einen Mann festhalten können.«
»Verdammt noch mal, Sir ! Ich versuch doch nur, meine Arbeit zu tun! Sie geht das doch nichts an!«
»Ich fürchte doch, Sir. Aus Gründen, die Sie nicht kennen!«
»Scheiße!« Der Ledernacken lehnte sich atemlos gegen die Wand und musterte die lächelnden jungen Gesichter vor sich.
»Lai!«, sagte eine Frau zu Marie und wies auf eine breite, seltsam geformte Tür ohne sichtbaren Griff in einer sonst scheinbar undurchdringlichen Mauer. »Xiao xin. Voh-sikt.«
»Vorsicht? Ich verstehe.«
Eine mit einer Schürze bekleidete Gestalt öffnete die Tür, und Marie rannte hinein, spürte im gleichen Augenblick
einen Schwall eiskalter Luft. Sie stand in einem großen, begehbaren Kühlraum, in dem ganze Rinder- und Schweineseiten im Schein von drahtnetzummantelten Glühbirnen an Haken von der Decke hingen. Der Mann mit der Schürze wartete ab, das Ohr an der Tür. Marie schlang sich die breite Seidenschärpe um den Hals und presste die Arme an sich, um sich vor der plötzlichen bitteren Kälte zu schützen, die der Kontrast zu der drückenden Hitze draußen noch schlimmer machte. Schließlich winkte ihr der Metzger zu, ihm zu folgen; das tat sie, schlängelte sich an den Fleischteilen vorbei, bis sie den Eingang des mächtigen Kühlgewölbes erreichte. Der Chinese zog einen Hebel aus Metall herunter, stieß die schwere Tür auf und bedeutete dabei der fröstelnden Marie mit einer Kopfbewegung, sie solle durchgehen. Jetzt fand sie sich in einem langen, schmalen, verlassenen Fleischerladen; Bambusjalousien an den Fenstern filterten die grelle Mittagssonne. Ein weißhaariger Mann stand hinter der Theke und spähte durch die Lamellen der Jalousie auf die Straße hinaus. Er winkte Marie zu, neben ihn zu treten. Wieder tat sie, wie man ihr geheißen hatte, dabei fiel ihr ein seltsam geformter Blumenkranz hinter dem Glas der Eingangstür auf, die anscheinend versperrt war.
Der ältere Mann bedeutete Marie, dass sie zum Fenster hinaussehen sollte. Sie schob zwei Bambuslamellen auseinander und hielt den Atem an, verblüfft über die Szene, die sich ihr draußen darbot. Die Suchaktion war auf ihrem Höhepunkt angelangt. Der Ledernacken mit den verbrühten Händen fuchtelte damit immer noch in der Luft herum, während er auf der anderen Straßenseite von Laden zu Laden ging. Sie sah Catherine Staples und McAllister im hitzigen Gespräch mit einer Anzahl Chinesen, die offenbar nicht damit einverstanden waren, dass die Ausländer das hektische und doch friedliche Leben in Tuen Mun störten.
McAllister hatte allem Anschein nach in seiner Erregung irgendetwas Anstößiges gerufen und wurde jetzt von einem Mann beschimpft, der doppelt so alt war wie er, ein uralter Chinese in einem langen Umhang, den jetzt jüngere,
kühlere Köpfe zurückhalten mussten. Der Staatssekretär war mit erhobenen Händen auf dem Rückzug und beteuerte immer wieder seine Unschuld, während Catherine sich rufend und schreiend Mühe gab, sie beide aus dem zornigen Mob herauszulösen.
Plötzlich kam der Ledernacken mit den verwundeten Händen aus einer Tür auf der anderen Straßenseite herausgeflogen; Glassplitter spritzten nach allen Seiten davon, während er über das Pflaster rollte und vor Schmerz aufschrie, als seine Hände den Beton berührten. Ein junger Chinese in der weißen Tunika,
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