Das Bourne Imperium
zu verschonen, weil man dir Pflichten abverlangt hat, für die du zu jung warst, weil dir das Privileg zuteil
wurde, Geheimnisse zu erfahren, die dein Verständnis übersteigen. Die Jugend spricht häufig, wenn sie schweigen sollte … Man hat dich in der Gesellschaft von zwei Brüdern aus Hongkong gesehen – aber nicht unseren Brüdern. Männer, die für die ehrlose englische Krone arbeiten, jene dekadente, geschwächte Regierung, die das Mutterland an die verkauft hat, die uns quälen. Sie haben dir billigen Tand gegeben, hübschen Schmuck und Rouge für deine Lippen, und französisches Parfüm aus Kowloon. Jetzt sprich, Kind, was hast du ihnen gegeben?«
Das junge Mädchen, dem immer noch Erbrochenes durch den Knebel sickerte, schüttelte wild den Kopf, die Tränen strömten ihr übers Gesicht.
»Sie hatte die Hand unter dem Tisch und zwischen den Beinen eines Mannes, das war in einem Café am Guangquem!« , schrie einer aus der Menge.
»Das war eines der Schweine, die für die Briten arbeiten!« , fügte ein anderer hinzu.
»Jugend lässt sich leicht verführen«, sagte der Redner und sah den Mann an, der gesprochen hatte, und seine Augen blitzten, als wollte er Schweigen gebieten. »In unseren Herzen ist Vergebung für die Verführten – solange die Verführung nicht zum Verrat führt.«
»Sie war am Ti-An-Men-Tor …!«
»Sie war nicht am Tian An Men, das habe ich selbst festgestellt!« , schrie der Mann mit dem Schwert. »Deine Information ist falsch. Die einzige Frage, die noch bleibt, ist ganz einfach, Kind ! Hast du von uns gesprochen ? Könnte es sein, dass deine Worte zu unseren Feinden gelangt sind? Hier oder im Süden?«
Das Mädchen wand sich auf dem Boden, und ihr ganzer Körper schwankte verzweifelt hin und her, als könne sie so die Anklage von sich abschütteln.
»Ich akzeptiere deine Unschuld, so wie ein Vater das würde, aber nicht deine Unvernunft, Kind. Du bist zu unvorsichtig in der Wahl deines Umgangs, in der Gier nach Tand. Wenn die nicht uns dienen, können sie gefährlich sein.«
Das Mädchen wurde einem fettleibigen, selbstgefällig blickenden Mann in mittleren Jahren zur »Unterweisung und Meditation« in Gewahrsam gegeben. Der Gesichtsausdruck des älteren Mannes ließ klar erkennen, dass er seinen Auftrag viel umfassender interpretieren würde, als der Redner das vorgeschrieben hatte. Und wenn er mit ihr fertig war, einer Kindfrau, die der nach jungen Mädchen gierenden Hierarchie Beijings Geheimnisse entlockt hatte – einer Hierarchie, die getreu den Worten Maos glaubte, solche Verbindungen würden ihre Lebenszeit verlängern – würde sie verschwinden.
Zweien der drei noch verbleibenden Chinesen wurde buchstäblich der Prozess gemacht. Die erste Anklage lautete auf Drogenhandel an der Achse Shanghai – Beijing. Ihr Verbrechen lag freilich nicht in der Verteilung von Narkotika, sondern darin, dass sie die Profite für sich behalten und riesige Geldsummen auf persönliche Konten bei zahlreichen Banken von Hongkong eingezahlt hatten. Einige der Zuhörer traten vor, um das Beweismaterial zu erhärten, mit der Erklärung, dass sie als nachgeordnete Verteiler den zwei »Bossen« große Bargeldsummen übergeben hätten, die nie in den geheimen Büchern der Organisation aufgezeichnet worden waren. Das war die erste Anklage, aber nicht die Wichtigste. Die trug jetzt der Redner in seiner hohen Singsangstimme vor.
»Ihr reist in den Süden, nach Kowloon. Einmal, zweimal, häufig sogar dreimal pro Monat. Der Flughafen Kai-tak … du !«, schrie der Eiferer mit dem Schwert und deutete auf den Gefangenen zu seiner Linken. »Du bist heute Nachmittag zurückgeflogen. Du warst gestern Nacht in Kowloon. Gestern Nacht ! Kai-tak! Wir sind gestern Nacht in Kai-tak verraten worden!« Der Redner ging mit langsamen, Unheil verheißenden Schritten aus dem Licht der Fackeln auf die zwei versteinerten Männer zu, die vorne knieten. »Eure Ergebenheit dem Geld gegenüber ist größer als eure Ergebenheit für unsere Sache«, dröhnte er jetzt wie ein besorgter, aber zorniger Patriarch. »Brüder im Blut und Brüder im Diebstahl. Wir wissen das schon seit vielen Wochen, wissen
es, weil in eurer Habgier so viel Angst war. Euer Geld musste sich vermehren, so wie Ratten in der Gosse, und deshalb seid ihr zu den verbrecherischen Triaden in Hongkong gegangen! Wie emsig, wie unternehmerisch und doch wie unglaublich dumm! Glaubt ihr etwa, dass wir diese Triaden nicht kennen, oder sie uns?
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