Das Bourne Imperium
Glaubt ihr, dass es nicht Bereiche gibt, wo sich unsere Interessen treffen könnten? Glaubt ihr, dass die weniger Abscheu für Verräter empfinden als wir?«
Die zwei gefesselten Brüder warfen sich flehend auf die Knie, und aus ihren geknebelten Mündern klangen unartikulierte Laute, Bitten um Gehör. Der Redner ging auf den Gefangenen zu seiner Linken zu und riss den Knebel herunter, sodass die Schnur dem Mann ins Fleisch schnitt.
»Wir haben niemanden verraten, großer Herr!«, kreischte er. »Ich habe niemanden verraten! Ich war in Kai-tak, ja , aber nur in der Menge. Um zu beobachten, Herr! Um mich daran zu erfreuen!«
»Mit wem hast du gesprochen?«
»Mit niemandem, großer Herr! O ja, mit dem Angestellten der Fluggesellschaft. Um meinen Flug für den nächsten Morgen zu bestätigen, Herr, das war alles! Ich schwöre es bei den Geistern unserer Ahnen. Denen meines jungen Bruders und den meinen, Herr.«
»Das Geld. Was ist mit dem Geld, das du gestohlen hast?«
»Nicht gestohlen, großer Herr. Ich schwöre es! Wir glaubten in unseren stolzen Herzen – Herzen, die unsere große Sache stolz gemacht hat –, dass wir das Geld zum Vorteil des wahren China gebrauchen konnten! Jeder Yuan unseres Gewinns sollte der Sache zurückgegeben werden!«
Die Menge grölte, und immer wieder waren die Rufe »Verrat!« und »Dieb« zu hören. Der Redner hob die Arme, worauf wieder Stille eintrat.
»Mögen alle es erfahren«, sagte er langsam und immer lauter werdend. »Diejenigen in unserer wachsenden Schar, die vielleicht Gedanken an Verrat hegen, mögen gewarnt sein. In uns ist keine Gnade, weil man auch uns keine Gnade erwiesen hat. Unsere Sache ist rechtschaffen und rein,
und der bloße Gedanke an Verrat ist widerwärtig. Verbreitet das. Ihr wisst nicht, wer wir sind oder wo wir sind – ob ein Beamter in einem Ministerium oder ein Angehöriger der Sicherheitspolizei. Wir sind nirgendwo und doch überall. Diejenigen, die schwanken und zweifeln, sind tot … Die Verhandlung gegen diese stinkenden Hunde ist vorüber. Jetzt liegt es bei euch, meine Kinder.«
Das Urteil war schnell und einstimmig: schuldig im ersten Punkt, wahrscheinlich im zweiten. Die Strafe: Der eine Bruder würde sterben, der andere leben und nach Hongkong zurückgebracht werden, wo man das Geld abholen würde. Wer leben und wer sterben sollte, sollte nach dem alten Yi-zang-li- Ritual entschieden werden, wörtlich »ein Begräbnis«. Jeder der beiden Männer bekam ein Messer mit rasiermesserscharfer, gezackter Klinge. Gekämpft werden sollte in einem Kreis, der zehn Schritte durchmaß. Die beiden Brüder standen einander gegenüber, und das wilde Ritual begann, als der eine verzweifelt zustieß und der andere dem Angriff auswich, wobei seine Klinge das Gesicht des Angreifers aufriss.
Das Duell in dem tödlichen Kreis und die primitiven Reaktionen der Zuschauer darauf überdeckten alle Geräusche, die Bourne verursachte, der sich für schnelles Handeln entschieden hatte. Er rannte jetzt durch das Unterholz, brach Zweige ab und wischte das hohe Gras aus dem Weg, bis er nur noch sechs Meter hinter dem Baum war, wo der Killer stand. Er würde zurückkehren und sich noch näher an ihn heranarbeiten, aber zuerst kam d’Anjou. Echo musste wissen, dass er da war.
Der Franzose und der letzte männliche chinesische Gefangene standen am rechten Rand des Kreises, von zwei Posten bewacht. Jason kroch vor, während die Menge die zwei Gladiatoren abwechselnd brüllend schmähte und anfeuerte. Einer der Kämpfer – beide waren jetzt über und über mit Blut beschmiert – hatte seinem Gegner einen fast tödlichen Stich mit dem Messer versetzt, aber das Leben, das er beenden wollte, wollte nicht aufgeben. Bourne war höchstens noch zwei oder drei Meter von d’Anjou entfernt;
er tastete auf dem Boden herum und hob einen heruntergefallenen Zweig auf. Als die Menge jetzt wieder aufbrüllte, knickte er ihn zweimal ab. Von den drei Stücken, die er in der Hand hielt, streifte er das Laub ab und hatte jetzt drei einigermaßen gerade Stöcke in der Hand. Er zielte und warf den ersten in einem flachen Bogen, sodass er dem Franzosen vor die Beine fiel. Der zweite traf Echo in der Kniekehle. D’Anjou nickte zweimal, um Delta zu verstehen zu geben, dass er seine Anwesenheit bemerkt hatte. Dann tat der Franzose etwas Seltsames. Er bewegte langsam den Kopf vor und zurück. Echo versuchte, ihm etwas zu sagen. Dann knickte plötzlich d’Anjous linkes Bein ein, und er
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