Das Bourne Imperium
auf und ab gegangen; mehr konnte er nicht ertragen. Also kletterte er den schmalen Weg durch die grasbewachsenen Dünen wieder zur Straße hinauf und strebte seinem Haus zu, wobei er mit jedem Schritt schneller wurde.
Dann saß er vor seinem Schreibtisch, die Augen starr auf das Telefon gerichtet. Es klingelte; er nahm den Hörer ab, ehe der Ton verklungen war. »Mo?«
»Ja.«
»Dort draußen war es verdammt kalt. Ich danke Ihnen.«
»Ich danke Ihnen .«
»Was haben Sie in Erfahrung gebracht?«
Und dann fing der Albtraum an, sich auszuweiten.
»Seit wann ist Marie verschwunden, David?«
»Ich weiß nicht. Eine Stunde, zwei Stunden, vielleicht auch mehr. Warum ist das denn wichtig?«
»Könnte es sein, dass sie beim Einkaufen ist? Oder haben Sie sich vielleicht gestritten und sie wollte eine Weile für sich sein? Wir waren uns doch darüber einig, dass es für sie manchmal sehr schwierig ist – das haben Sie doch selbst gesagt.«
»Wovon, zum Teufel, reden Sie? Da war doch der Zettel! Blut, ein Handabdruck !«
»Ja, das haben Sie schon erwähnt, aber warum sollte jemand solche Spuren hinterlassen?«
»Woher soll ich das wissen! So ist es eben – sie haben es getan. Das ist doch alles hier !«
»Haben Sie die Polizei gerufen?«
»Du großer Gott, nein! Das ist doch nichts für die Polizei! Wir müssen uns darum kümmern, ich ! Können Sie das nicht verstehen? … Was haben Sie herausgefunden? Warum reden Sie so?«
»Weil ich es muss. In allen Sitzungen, in all den Monaten, in denen wir miteinander geredet haben, haben wir einander immer die Wahrheit gesagt, denn Sie müssen ja schließlich die Wahrheit kennen!«
»Mo! Um Himmels willen, es geht um Marie!«
»Bitte, David, lassen Sie mich ausreden. Wenn die lügen – und das wäre nicht das erste Mal –, dann bringe ich das heraus, und dann werde ich sie bloßstellen. Ich könnte einfach nicht anders. Aber ich sage Ihnen jetzt genau, was die mir gesagt haben, was die Nummer zwei in der Fernost-Abteilung mir ganz klar gesagt hat und was mir der Chef der Sicherheitsabteilung des Außenministeriums vorgelesen hat. Er sagte, Sie hätten die Sicherheitsabteilung vor gut einer Woche angerufen und hätten sich in einem höchst erregten Zustand befunden.«
»Ich hätte sie angerufen?«
»Richtig, so hat er es mir dargestellt. Sie sollen behauptet haben, Sie hätten Drohungen erhalten; Ihre Redeweise war ›unzusammenhängend‹ – so haben die das formuliert – und Sie hätten sofort Leibwächter verlangt. Weil Ihre Akte einen ›Geheim‹-Reiter trug, hat man Ihren Antrag nach oben weitergegeben und von dort die Anweisung bekommen, ›Gebt ihm, was er will. Beruhigt ihn.‹«
»Ich kann das einfach nicht glauben !«
»Ich bin noch nicht fertig, David. Hören Sie mir bis zum Schluss zu, ich höre Ihnen schließlich auch zu.«
»Okay. Weiter.«
»So ist’s gut. Ganz ruhig. Kühl bleiben – nein, streichen Sie das Wort ›kühl‹.«
»Recht so.«
»Als die Sicherheitsbeamten eingetroffen waren, haben Sie laut Außenministerium noch zweimal angerufen und sich darüber beklagt, dass die Leibwächter ihre Arbeit nicht richtig machten. Sie sagten, sie würden in ihren Wagen vor Ihrem Haus trinken und über Sie lachen, wenn sie Sie zum Universitätsgelände begleiten – und jetzt zitiere ich wörtlich: ›Die machen aus dem, was sie tun sollen, eine Farce.‹ Die Stelle habe ich mir unterstrichen.«
»Eine ›Farce‹ …?«
»Ganz ruhig, David. Jetzt kommt das Ende der Aufzeichnung. Sie haben ein letztes Mal angerufen und mit Nachdruck verlangt, man solle alle abziehen – dass Ihre Leibwächter Ihre Feinde seien, dass sie die Männer seien, die Sie töten wollten. Es läuft darauf hinaus, dass Sie diejenigen, die Sie zu schützen versuchten, in Ihre Feinde verwandelt hatten.«
»Und ich bin sicher, dass das ganz elegant in einen dieser beschissenen psychiatrischen Schlüsse passt, wonach meine Ängste sich in Paranoia verwandelt – oder pervertiert – hätten.«
»Sehr elegant«, sagte Panov. »Zu elegant.«
»Und was hat die Nummer zwei in der Fernost-Abteilung Ihnen gesagt?«
Panov schwieg einen Augenblick. »Nicht das, was Sie
hören wollen, David, aber er war in seiner Aussage sehr bestimmt. Man hat dort nie von einem Bankier oder einem sonstwie einflussreichen Taipan namens Yao Ming gehört. Er hat gesagt, so wie die Dinge heute in Hongkong liefen, würde er die Akte mit Sicherheit bis auf den letzten Buchstaben
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