Das Bourne Imperium
getroffen – Kontaktleuten und Verbindungsleuten, reflektierte er – und dann war er am überfüllten Strand von Repulse Bay im Meer geschwommen, hinter sich die nachgemachten Götterstatuen und die abbröckelnde Eleganz des alten Kolonialhotels. Das alles hatte er gesehen, das alles kannte er, und doch gab es für ihn keine Beziehung dazu.
Er sah auf die Uhr; sie waren jetzt seit beinahe zwei Stunden unterwegs. Er hatte auf der Insel noch etwas zu erledigen, und anschließend würde er Pak-fei auf die Probe stellen. »Fahren Sie zum Chater Square zurück«, sagte er. »Ich habe in einer der Banken zu tun. Sie können auf mich warten.«
Geld war nicht nur ein gesellschaftliches und industrielles Schmiermittel, sondern in genügend großen Beträgen auch der Schlüssel zur Beweglichkeit. Ohne Geld kamen Männer auf der Flucht nicht weiter, waren in ihrer Wahl der Waffen eingeschränkt, und die Verfolger, die sich von der Beliebigkeit der Fluchtmethoden oft narren ließen, verfügten nicht über die Mittel, die Jagd fortzusetzen. Und je höher der Betrag, desto leichter war es, an ihn heranzukommen; man bedenke nur, wie mühsam es ist, ein Darlehen von höchstens 500 Dollar zu bekommen, wenn die Sicherheiten bescheiden sind, und wie leicht das geht, wenn man 500 000 Dollar Kredit hat. In der Bank am Chater Square lief alles schnell und professionell; man stellte David ohne Frage einen Aktenkoffer für den Transport des Geldes zur Verfügung und bot ihm einen Leibwächter an, der ihn zum Hotel begleiten konnte. Er lehnte ab, unterzeichnete die entsprechenden Papiere und brauchte keine weiteren Fragen zu beantworten. Er kehrte zu dem Wagen zurück, der auf der verkehrsreichen Straße auf ihn wartete.
Er lehnte sich nach vorne, stützte die linke Hand auf den weichen Bezug des Vordersitzes, nur wenige Zoll vom Kopf des Fahrers entfernt. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er eine amerikanische Hundert-Dollar-Note. »Pak-fei«, sagte er, »ich brauche eine Pistole.«
Langsam drehte der Fahrer den Kopf. Er sah den Schein an und drehte sich dann noch weiter herum, um Webb anzusehen. Der ganze verkrampfte Überschwang war dahin, die ganze Servilität. Stattdessen zeigte das faltige Gesicht jetzt keinerlei Ausdruck, und die Schlitzaugen wirkten wie Abgründe. »Kowloon«, sagte er. »Im Mongkok.« Er nahm die hundert Dollar.
9.
Die Daimler-Limousine kroch durch die fast völlig verstopfte Straße in Mongkok, ein Ballungszentrum, das nicht darum zu beneiden ist, dass es der am dichtesten besiedelte Stadtteil in der Menschheitsgeschichte ist. Besiedelt fast ausschließlich von Chinesen. Ein westliches Gesicht war hier so selten, dass es neugierige Blicke auf sich zog, gleichermaßen feindselig wie belustigt. Weiße wurden nicht dazu animiert, sich nach Einbruch der Dunkelheit in Mongkok blicken zu lassen. Es gab hier kein asiatisches Gegenstück zum Cotton-Club in Harlem. Das hatte nichts mit Rassismus zu tun, sondern war nur realistisch gedacht. Schon für die eigenen Leute war zu wenig Platz – und das Eigene beschützten sie, wie das die Chinesen seit den frühesten Dynastien jahrtausendelang getan hatten. Die Familie war ihr ein und alles, und zu viele Familien lebten, wo nicht im Elend, so doch in einen einzigen Raum eingepfercht, in dem nichts war außer einem Bett und Matten auf den rohen, sauberen Böden. Überall zeugten die vielen kleinen Balkons von einem ausgeprägten Reinlichkeitssinn, denn niemand hielt sich je dort auf, dort wurde immerzu nur Wäsche aufgehängt. Die offenen Balkons überzogen die Fassaden und schienen ständig in Bewegung zu sein, denn die riesigen Wände aus Stoff blähten sich im Wind, und alle nur erdenklichen Kleidungsstücke tanzten zu Zehntausenden auf der Stelle, noch ein Beweis für die ungeheuer große Zahl von Einwohnern in diesem Viertel.
Arm war Mongkok auch nicht. Überall war dick aufgetragene Farbe, am auffälligsten ein leuchtendes Rot, das wie ein Magnet wirkte. Und wo immer der Blick über die Menschenmenge hinwegschweifte, fiel er auf riesengroße, kunstvoll bemalte Tafeln; Werbewände, die sich drei Stockwerke
hoch auftürmten, säumten die Straßen und Gassen, und die chinesischen Schriftzeichen gaben sich alle Mühe, die Verbraucher zu verführen. Es gab Geld in Mongkok, von dem nicht geredet wurde, und Geld, mit dem geprotzt wurde, aber nicht nur ehrlich verdientes Geld. Es fehlte an Platz, und der ganze Platz gehörte den Chinesen, nicht den Außenseitern,
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