Das Bourne Imperium
näher am Himmel als am Boden. Wie David sagen würde – oder besser Jason: So sei es. Die Tür. Der Korridor.
So sei es.
Sie trat an das Waschbecken. Die Zahnbürste und die Zahnpasta, die das Krankenhaus gestellt hatte, waren noch in Plastik verpackt; auch die Seife war noch jungfräulich, in der Originalverpackung, mit der Garantie auf Reinheit, reiner als der Hauch von Engeln.
Daneben lag das Badezimmer; auch nichts Besonderes; nur ein Behälter mit Damenbinden und einer Aufschrift in vier Sprachen, was man mit ihnen nicht tun solle. Sie ging ins Zimmer zurück. Was suchte sie? Was auch immer es war, sie hatte es nicht gefunden.
Studiere alles. Du wirst etwas finden, das du brauchen kannst. Jasons Worte, nicht Davids. Und dann sah sie es.
Manche Krankenhausbetten – und dies war eines davon – haben einen Griff am Sockel, mit dem man das Bett hochstellen oder senken kann, je nachdem, in welche Richtung man ihn dreht. Diesen Griff kann man entfernen, wenn ein Patient intravenös ernährt wird oder wenn ein Arzt ihn in einer bestimmten Lage festhalten möchte, zum Beispiel im Falle eines Streckverbandes. Die Schwester kann diesen Griff abschrauben. Das geschieht häufig in der Besuchszeit, um zu verhindern, dass Besucher die Lage des Patienten gegen den Wunsch des Arztes verändern. Marie kannte diese Art von
Betten und auch diesen Griff. Als David sich von den Verletzungen erholte, die ihm in Treadstone 71 zugefügt worden waren, wurde er intravenös ernährt; sie hatte den Schwestern zugeschaut. Die Schmerzen ihres künftigen Ehemannes waren schlimmer, als sie ertragen konnte, und die Schwestern spürten offenbar, dass sie, in dem Bestreben, ihm Linderung zu verschaffen, die Behandlung stören könnte. Sie wusste, wie man den Griff abschraubte, und wenn er erst lose war, konnte man ihn benutzen wie ein Winkeleisen.
Sie schraubte ihn ab, legte sich wieder ins Bett und versteckte den Griff unter der Decke. Sie wartete und dachte, wie verschieden ihre zwei Männer doch waren – in einem Mann. Ihr Geliebter, Jason, konnte so kalt und geduldig sein, den richtigen Augenblick abwarten, um loszuspringen, zu schockieren, Gewalt anzuwenden, um des Überlebens willen. Und ihr Ehemann, David, so selbstlos, immer bereit zuzuhören – der Gelehrte – die Gewalt um jeden Preis vermeidend, weil er sie erlebt hatte, und den Schmerz und die Angst hasste – und mehr als alles andere die Notwendigkeit, seine Gefühle auszuschalten, zu reagieren wie ein Tier. Und jetzt wurde von ihm verlangt, wieder der Mann zu werden, den er so sehr verabscheute. David, mein David! Verlier nicht den Verstand! Ich liebe dich so sehr.
Geräusche im Korridor. Marie sah auf die Uhr auf dem Nachttisch. Sechzehn Minuten waren verstrichen. Sie legte beide Hände auf die Decke, als die Schwester eintrat und ließ die Lider sinken, als wäre sie müde.
»So, meine Liebe«, sagte die Frau und trat einige Schritte auf sie zu. »Sie haben mich gerührt, das kann ich nicht leugnen. Aber ich habe meine Anweisungen – sehr genaue Anweisungen, die Sie betreffen. Der Major und Ihr Arzt sind jetzt weg. Also, was wollten Sie mir sagen?«
»Nicht … jetzt«, flüsterte Marie, und der Kopf sank ihr herunter. Ihr Gesicht wirkte jetzt schläfrig.
»Ich bin so müde. Ich habe die … Tablette genommen.«
»Geht es um den Posten draußen?«
»Er ist krank … er fasst mich nie an – mir macht das nichts aus. Er besorgt mir Sachen … ich bin so müde.«
»Was meinen Sie mit ›krank‹?«
»Er … sieht gern Frauen an … er … belästigt mich nicht … wenn ich … schlafe.« Marie fielen die Augen zu.
»Zang!«, sagte die Schwester halblaut. »Schmutzig, schmutzig !« Sie ging hinaus, machte die Tür zu und herrschte den Posten an: »Die Frau schläft! Haben Sie mich verstanden!«
»Das ist ja ein Segen.«
»Sie sagt, Sie fassen sie nie an!«
»Daran habe ich nie auch nur gedacht!«
»Dann denken Sie jetzt auch nicht daran!«
»Ich kann auf Ihre Vorträge verzichten, Sie alte Vettel. Ich tue hier nur meine Pflicht.«
»Dann tun Sie sie auch! Ich spreche morgen früh mit Major Lin Wenzu!« Die Frau funkelte den Mann zornig an und marschierte in feindseliger Haltung den Korridor hinunter.
»Sie!« Das Flüstern kam aus Maries Tür, die einen Spalt offen stand. Sie schob sie etwas weiter auf und sagte: »Diese Schwester! Wer ist das?«
»Ich habe gedacht, Sie schlafen, Lady«, sagte der verwirrte Posten.
»Sie hat mir
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