Das Bourne Ultimatum
tun, wenn es ein bewaffneter Angriff wäre. Keine Schüsse, kein Angriff.«
» Schüsse ...?« Plötzlich packte Bourne den jungen Russen und drehte ihn um. »Sagen Sie ihm, er soll aufhören! Um Gottes willen, halten Sie ihn auf!«
»Was?«
»Er gibt dem Schakal die Eröffnung, die er haben will, die er braucht!«
»Wovon reden Sie?«
» Njet !«, kreischte eine Frau, brach aus der Menge hervor und schrie den Offizier inmitten der Scheinwerferkegel an. »Die Explosionen sind Bomben! Sie kommen von oben, aus Bombern!«
»Das ist völlig verrückt«, rief der Colonel auf russisch. »Wenn es ein Luftangriff wäre, dann wäre der Himmel voll von unseren Kampfflugzeugen aus Belopol!... Die Explosionen kommen aus der Erde, die Feuer aus der Erde, von den Gasen unten...« Das waren die letzten Worte, die der sowjetische Offizier jemals sagen sollte.
Eine abgehackte Salve von Schüssen aus einer automatischen Waffe platzte aus den Schatten des Parkplatzes am Tunnel hervor und warf den Russen zu Boden. Sein durchlöcherter Körper brach zusammen und fiel vom Dach des Wachlokals. Die ohnehin rasende Menge drehte durch. Der Rang uniformierter ›amerikanischer‹ Soldaten verfiel, und wenn zuvor schon das Chaos regiert hatte, dann herrschte jetzt der nihilistische Pöbel. Der enge, umzäunte Eingang des Tunnels wurde gestürmt, Gestalten rannten ineinander, schlugen aufeinander ein, kletterten übereinander, hetzten in Massen zur Öffnung des Unterwassereingangs. Jason zog seinen jungen Trainer zur Seite, ohne den Blick vom Parkplatz zu wenden, der völlig im Dunkel lag.
»Können Sie die Tunnelmaschinerie bedienen?«, rief er.
»Ja! Das kann jeder aus dem leitenden Stab! Gehört zu dem Job!«
»Die Eisentore, von denen Sie gesprochen haben?«
»Natürlich.«
»Wo ist der Mechanismus?«
»In der Wachstube.«
»Gehen Sie rein!«, schrie Bourne, nahm eine Fackel aus seiner Feldjacke und gab sie Benjamin. »Ich hab noch zwei und zwei Granaten... Wenn Sie sehen, dass eine von meinen Fackeln über der Menge aufgeht, lassen Sie die Tore auf dieser Seite herunter, und zwar nur auf dieser Seite, verstanden?«
»Wozu?«
»Meine Regeln, Ben! Tun Sie es! Dann zünden Sie diese Fackel an und werfen Sie aus dem Fenster, damit ich weiß, dass das Gitter unten ist.«
»Was dann?«
»Etwas, das Sie vielleicht nicht tun wollen, aber tun müssen ... Nehmen Sie die Siebenundvierziger des toten Colonels und drängen Sie die Menge, schießen Sie sie in die Straße zurück. Schnelles Feuer in den Boden vor ihnen oder über sie hinweg, tun Sie, was Sie tun müssen, auch wenn es bedeutet, dass Sie vielleicht ein paar von ihnen verwunden. Es muss um jeden Preis geschehen. Ich muss ihn finden, ihn isolieren, vor allem von allen anderen fernhalten, die versuchen rauszukommen.«
»Sie sind ein gottverdammter Irrer!«, unterbrach ihn Benjamin mit hervortretenden Adern an den Schläfen.
»In diesem Augenblick bin ich der vernünftigste Mensch, den Sie jemals kennen gelernt haben«, ging Bourne schroff dazwischen, während die panischen Bewohner von Nowgorod an ihnen vorbeihasteten. »Es gibt keinen zurechnungsfähigen General in der sowjetischen Armee, der Armee, die Stalingrad zurückerobert hat, der mir nicht zustimmen würde... Wir müssen ein paar Verluste in Kauf nehmen, nur so ist die große Katastrophe zu verhindern!«
»Sie verlangen zu viel! Diese Leute sind meine Genossen, meine Freunde. Es sind Russen. Würden Sie in eine Menge von Amerikanern feuern? Ein Zittern mit den Händen, zwei Zentimeter, fünf Zentimeter mit einer Siebenundvierziger, und ich könnte ein halbes Dutzend Menschen verstümmeln oder gar töten! Das Risiko ist zu groß!«
»Sie haben keine Wahl. Wenn der Schakal an mir vorbeigekommen ist - und ich werde es wissen, wenn es so weit ist -,
dann werde ich eine Granate da reinwerfen und wahrscheinlich zwanzig von ihnen töten.«
»Sie Wahnsinniger!«
»Glauben Sie es ruhig, Ben. Ich kann es mir nicht länger leisten, dass Carlos lebt - die Welt kann es sich nicht leisten. Bewegung!«
Benjamin spuckte Bourne ins Gesicht, dann drehte er sich jedoch um und kämpfte sich den Weg zum Wachlokal und der Leiche des Colonels frei. Mechanisch wischte sich Jason mit dem Handrücken übers Gesicht, seine Konzentration ausschließlich auf den eingezäunten Parkplatz gerichtet. Seine Augen schossen von einem Schatten zum anderen und versuchten, den Ursprung der Schüsse einzukreisen, wenn er auch wusste, dass es
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