Das Bourne-Vermächtnis
Elendsviertel stand irgendwie unter einem ungünstigen Stern, der sie an den Basar erinnerte, als sei die Schwarzmarktwirtschaft in der Stadt auf obskure Weise an der deprimierenden Landschaft schuld, durch die sie krochen, wobei sie von den Menschenmassen behindert wurden, die sich auf den rissigen Gehsteigen drängten und auf die unbefestigten, mit Schlaglöchern übersäten Straßen auswichen. Verkehrsampeln gab es keine, und selbst wenn es hier welche gegeben hätte, wären die Fahrzeuge immer wieder von stinkenden Bettlerhorden oder Straßenhändlern, die ihre kümmerlichen Waren anpriesen, angehalten worden.
Schließlich erreichten sie ungefähr die Mitte des Slums und verschwanden dort in einem ausgebrannten einstöckigen Gebäude, in dem es nach Rauch stank. Drinnen lag überall Asche, weiß und weich wie Knochenmehl.
Die Fahrer brachten die Ladung herein, die sie in zwei rechteckigen Behältern von der Größe von Schrankkoffern transportiert hatten.
Die Behälter enthielten ABC-Schutzanzüge aus silbrig beschichtetem Material, die sie unter Spalkos Anleitung anlegten. Zu jedem dieser Anzüge gehörte ein eigenes Atemschutzgerät. Dann nahm Spalko das NX 20 aus seinem Koffer in einem der Behälter und setzte die beiden Teile sorgfältig zusammen, während die vier tschetschenischen Rebellen sich um ihn drängten, um zuzusehen.
Er ließ Hassan Arsenow einen Augenblick das Gerät halten und zog den kleinen schweren Metallbehälter, den Dr. Peter Sido ihm gegeben hatte, aus der Tasche. Spalko öffnete ihn sehr vorsichtig. Sie starrten alle die Glasphiole an. So klein, aber doch so tödlich. Ihre Atmung verlangsamte sich, wurde keuchend, als fürchteten sie alle, den Tod einzuatmen.
Spalko wies Arsenow an, ihm das NX 20 mit leicht
gebeugten Armen hinzuhalten. Er bewegte den oben angeordneten Titanschieber und legte die Phiole in die Ladekammer. Trotzdem lasse das NX 20 sich noch nicht abfeuern, erklärte er den anderen. Dr. Schiffer hatte mehrere Sicherungen gegen versehentliches oder vorzeitiges Versprühen eingebaut. Spalko wies auf den luftdichten Verschluss hin, der nach dem Laden entstand, wenn er den Schieber zurückzog und verriegelte. Das tat er jetzt; dann nahm er Arsenow das NX 20 aus den Händen und führte die kleine Gruppe in dem ausgebrannten Gebäude eine Treppe hinauf, die nur noch stand, weil sie aus Stahlbeton war.
Im ersten Stock drängten sie sich an einem Fenster zusammen. Auch seine Scheiben waren zersprungen, nur der Rahmen war noch übrig. Von dieser Warte aus beobachteten sie die Hinkenden und die Lahmen, die Verhungernden, die Kranken. Fliegen summten, ein dreibeiniger Hund hockte sich hin und kackte zwischen die Gebrauchtwaren, die auf einem Markt unter freiem
Himmel angeboten wurden. Ein nacktes Kind lief weinend durch die Straßen. Eine vorbeischlurfende alte Frau räusperte sich umständlich und spuckte aus.
Diese Bilder interessierten die kleine Gruppe jedoch nur am Rande. Die vier beobachteten jede Bewegung Spalkos, nahmen mit fast zwanghafter Konzentration jedes seiner Worte in sich auf. Die fast mathematische Präzision der Waffe wirkte wie ein Gegenzauber zur Abwehr der Krankheiten, die hier in der Luft zu liegen schienen.
Spalko zeigte ihnen die beiden Abzughebel des NX 20, von denen der kleinere unmittelbar vor dem größeren Abzug angeordnet war. Mit dem kleinen Hebel, erklärte er ihnen, wurde die Phiole aus der Ladekammer in die Feuerkammer befördert. Sobald auch sie versiegelt war, wozu man diesen Knopf hier auf der linken Seite der Waffe drücken musste, war das NX 20 schussbereit. Er betätigte den kleinen Abzug, drückte dann den Knopf und konnte im Inneren der Waffe eine leichte Bewegung, eine erste Regung des nahenden Todes spüren.
Die Mündung des Geräts war stumpf und hässlich,
aber ihre Stumpfheit hatte auch einen praktischen Zweck. Im Gegensatz zu herkömmlichen Waffen musste man mit dem NX 20 nicht genau zielen, erläuterte Spalko. Er schob die Mündung aus dem Fenster. Alle fünf hielten den Atem an, als sein Finger sich um den großen Abzug krümmte.
Draußen ging das Leben seinen ungeordneten Gang.
Ein junger Mann hielt sich einen Blechnapf mit Maisbrei unters Kinn und schaufelte das Zeug mit zwei Fingern der rechten Hand in seinen Mund, während eine Gruppe von halb verhungerten Menschen ihn mit unnatürlich großen Augen beobachtete. Ein unglaublich dünnes
Mädchen fuhr auf einem Fahrrad vorbei, und zwei zahnlose alte Männer starrten
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