Das Bourne-Vermächtnis
zu beginnen.«
Spalko starrte nach draußen, wo auf den Straßen Nairobis Einheimische und Ausländer von der Abendsonne rot angestrahlt unterwegs waren, und lächelte vor sich hin. »Entdecke ich einen skeptischen Unterton in deiner Stimme?«
»Falls du’s tust«, sagte Arsenow rasch, »liegt das nur an meinen großen Erwartungen. Ich habe mein Leben lang auf eine Chance gewartet, das russische Joch abzuschütteln. Meine Landsleute haben sich zu lange als Ausgesto
ßene fühlen müssen; sie haben Jahrhunderte darauf gewartet, in der islamischen Gemeinschaft willkommen geheißen zu werden.«
Spalko nickte geistesabwesend. Für ihn war längst irrelevant, was Arsenow dachte; bald würde er den Wölfen zum Fraß vorgeworfen werden und spurlos verschwinden.
An diesem Abend versammelten die fünf sich in dem privaten Speisezimmer, das Spalko im obersten Stock des Hotels 360 an der Kenyatta Avenue gebucht hatte. Wie ihre Zimmer bot es einen prachtvollen Blick über die Stadt zum Nairobi National Park hinüber, der nicht nur mit Giraffen, Gnus, Thomsongazellen und Nashörnern, sondern auch mit Löwen, Leoparden und Wasserbüffeln besetzt war. Beim Abendessen wurde nicht über ihr Unternehmen gesprochen; es gab keinerlei Hinweise darauf, was sie hergeführt hatte.
Das änderte sich, sobald das Geschirr abgetragen war.
Ein Team von Humanistas, Ltd. das vor ihnen in Nairobi eingetroffen war, hatte eine Multimediapräsentation vorbereitet, zu der die nötigen Geräte auf einem Wägelchen hereingerollt wurden. Eine Stativleinwand wurde aufgestellt, und Spalko begann mit einer Power-Point-Präsentation, bei der er die isländische Küste, Reykjavik und Umgebung, Luftaufnahmen des Hotels Oskjuhlid
sowie Außen- und Innenaufnahmen des Hotels zeigte.
»Dies ist das Überwachungssystem. Wie ihr seht, ist es hier und hier durch neueste Bewegungsmelder und Infrarotsensoren ergänzt«, sagte er. »Und dies ist das Schaltpult, das wie alle Systeme des Hotels doppelt gegen Stromausfall gesichert ist – nicht nur durch ein Notstromaggregat, sondern auch durch Akkus mit entsprechend hoher Kapazität.« Er ging das Unternehmen in sämtlichen Details durch, indem er mit dem Augenblick ihrer Ankunft begann und mit dem Verlassen des Hotels aufhörte. Alles war sorgfältig durchgeplant; alles stand bereit.
»Bis morgen früh bei Sonnenaufgang«, sagte Spalko.
Als er dann aufstand, folgten die anderen seinem Beispiel. »La illaha ill Allah.«
»La illaha ill Allah« , erwiderten vier ernste Stimmen im Chor.
Spät nachts lag Stepan Spalko im Bett und rauchte eine Zigarette. Obwohl in seinem Zimmer eine Lampe brannte, konnte er die glitzernden Lichter der Großstadt und dahinter die dunkle Wildnis des Nationalparks sehen. Er schien in Gedanken versunken zu sein, aber in Wirklichkeit gab es nichts, das ihm hätte Sorgen machen müssen.
Er wartete.
Achmed hörte das ferne Gebrüll von Raubtieren und fand keinen Schlaf. Er setzte sich im Bett auf, rieb sich die Augen mit den Handrücken. Dass er nicht einschlafen konnte, war ungewohnt für ihn, und er wusste nicht recht, was er dagegen tun sollte. Vorerst ließ er sich wieder zurücksinken, aber er war jetzt hellwach, spürte jeden hämmernden Herzschlag und lag mit offenen Augen da.
Er dachte an den kommenden Tag, der so vieles versprach. Allah gewähre uns die Gnade, dass damit auch für unser Volk ein neuer Tag anbricht, betete er.
Dann setzte er sich seufzend auf, schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. Er zog die merkwürdige westliche Kleidung – Hemd und Hose – an und fragte sich, ob er sich jemals an sie würde gewöhnen können.
Mit Allahs Hilfe niemals.
Achmed war eben dabei, die Tür seines Zimmers zu
öffnen, als er draußen Sina vorbeigehen sah. Sie schritt wunderbar anmutig den Korridor entlang und bewegte sich lautlos, mit provokant sich wiegenden Hüften. Er hatte sich schon oft heimlich die Lippen geleckt, wenn sie vor ihm hergegangen war, und versuchte immer, möglichst viel von ihrem Duft einzuatmen.
Er spähte durch den Türspalt. Sie entfernte sich von ihrem Zimmer, sodass er sich fragte, wohin sie unterwegs sein mochte. Im nächsten Augenblick bekam er seine Antwort. Er machte große Augen, als sie leise an die Tür des Scheichs klopfte, die sich sofort öffnete, und der Scheich ließ sie persönlich eintreten. Vielleicht hatte er Sina zu sich beordert, um sie wegen irgendeiner Disziplinlosigkeit zu tadeln, die Achmed nicht mitbekommen
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