Das brennende Gewand
heimlich davonzuschleichen. Für diese Deutung sprach, dass ein brauner Mönch die Löscharbeiten beobachtet hatte, aber dann in dem Gewühl verschwunden war.
Sein Sohn hatte sich auch Zugang zu der Wohnung des Fälschers verschafft - und hier musste Ivo vom Spiegel anerkennend grinsen. Leon hatte ein bezwingendes Wesen, und die Frau des Goldschlägers hatte ihm seine Scharade, er sei ein guter Bekannter von Roderich von Kastell, abgenommen. Sie hatte ihm freimütig berichtet, dass sein Diener mehrmals vorbeigekommen war, um Kleider und Schriftstücke abzuholen und ihm zu überbringen. Auch ein recht unscheinbares Weib hatte ihn dabei zweimal begleitet.
Es wurde Zeit, dass man ihnen das Handwerk legte!
Einige Fäden wenigstens hatten sich entwirrt. Die Pastetenbäckerin, so hatte ihm Theodoricus am Vormittag berichtet, war mit ihrem Sohn bei ihm erschienen und hatte ihre Verdächtigungen zurückgezogen. Der Mord an dem Schreinemaker würde ihm nicht mehr zur Last gelegt, der angebliche Zeuge war selbst ein Betrüger. Die Minderbrüder hatten bestätigt, dass keiner von ihnen mit Drohungen und Feuerwerk die Ausgestoßenen eingeschüchtert und in dieser Sache befragt hatte. Der Novize indes - nun, auf ihn würde der Abt ein Auge haben. Ihn wohlwollend zu fördern, würde nützlich sein. Ivo vom Spiegel nahm sich vor, ein langes Gespräch mit ihm zu führen, wenn er erst einmal aus dem Haus gekommen sein würde.
Unruhig trat er ans Fenster, öffnete es und schaute auf den belebten Platz unter sich. An den Ständen und Buden wurden die Waren zusammengeräumt, die sich den Tag über nicht hatten verkaufen lassen. Bauern packten Körbe und Säcke, Hühnerkäfige und Kisten auf ihre Karren oder schulterten ihre Kiepen. Drugwarenhändler packten ihre Kräuter, Bandkrämer ihren Flitterkram, Lederer ihre Gürtel und Taschen zusammen. Vereinzelt feilschten hier und da noch wackere Köchinnen um die letzten Würste oder Eier. Die Wachen befreiten den betrügerischen Müller vom Kax, der erschöpft und besudelt von allerlei vergammelten Wurfgeschossen in die Knie ging, als sie ihn losbanden. Eine Gruppe Nonnen trippelte eilig mit gesenkten Häuptern vorüber, eine lebenslustige Wäscherin hingegen warf mit keck hochgerecktem Kinn einem jungen Schiffer Scherzworte zu, und zwei graue Beginen schritten just auf seine eigene Haustür zu.
Es dauerte einen Augenblick, bis er erkannte, um wen es sich handelte. Dann aber fühlte er eine erwartungsvolle Freude in sich aufsteigen.
Oft hatte er in den vergangenen Tagen über sie nachgedacht. Er hatte sich vor Augen geführt, wie so völlig anders sein Leben verlaufen war als das ihre. In seiner Jugend war er heißblütig gewesen, hatte, ohne sich um die Folgen zu kümmern, die Frauen betört, nach denen es ihn gelüstete. Er hatte Begehren und Lust ausgekostet, aber an eine Bindung hatte er nie gedacht. Bis ein Weib seine Sinne und seinen Geist gefesselt und ihn dann verraten hatte. Er hatte danach nicht nur hinter den Mauern des Klosters gelebt, sondern auch hinter denen, die er selbst um sich errichtete. Die Begine aber war, fast noch ein Kind, mit einem alten, kranken Mann verheiratet worden, und als sie seiner Fessel ledig war, hatte sie freiwillig das Leben in den sicheren Mauern des Konvents gewählt.
Nun aber waren sie beide frei.
Ganz unerwartet überkam ihn Befangenheit.
Würden sie zusammenfinden?
Er wünschte es sich sehnlichst.
»Frau Almut, tretet ein«, begrüßte der Majordomus die Begine mit einer Verneigung. Wenn er ihr angesengtes Gewand auch bemerkt hatte, so zeigte er seine Überraschung doch nicht. Um die neugierigen Blicke und gespitzten Ohren zu täuschen, führte er sie zunächst zu dem Gemach, in dem Gauwin vom Spiegel wohnte. Doch vor der Tür flüsterte der Majordomus: »Der Herr ruht, der Tag war anstrengend für ihn. Ihr kennt den Weg in den Turm. Ich werde Euch und Herrn Ivo ein Mahl richten lassen. Es wird ihn aufheitern, wenn er es nicht alleine verzehren muss.«
»Danke. Ist er sehr ungnädig gestimmt?«
»Nur unruhig, Frau Almut. Sein Sohn hat ihn vorhin besucht.«
»Gut, dann kennt er die neuesten Entwicklungen schon.«
Sie erklomm die Stiege und klopfte an die schön geschnitzte Tür.
Er öffnete ihr.
»Was führt Euch zu später Stunde her? Unbegleitet. Es schickt sich nicht! Ihr solltet sicher in den Mauern Eures Heims weilen«, brummte er.
»Ja, Herr vom Spiegel, das sollte ich. Darf ich dennoch eintreten?«
Er ließ sie durch
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