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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kleinen Kapelle, die sie selbst Stein für Stein errichtet hatte. Hinter ihnen drängten sich die Besucher, und nicht alle fanden Platz in dem Gebäude. Vor der Tür hatten sich ebenfalls Gäste versammelt. Als Abt Theodoricus in prachtvollem Ornat eintraf, teilte sich die Menge. Geleitet wurde er von zwei Novizen, die in Tücher gehüllte Gegenstände trugen und sie auf dem Altar vor dem schlichten Holzkreuz niederlegten.
    Von der Weihehandlung bekam Almut nur wenig mit. Die beiden Schnitzwerke zogen sie weit mehr in Bann. Geschenke waren sie, das eine hatte Groß Sankt Martin den Beginen gestiftet, das andere war eine persönliche Gabe von Bertram.
    Beide aber stammten aus seinen begnadeten Händen.
    Aus dunklem Ebenholz war die heilige Anna entstanden, Mariens Mutter, die sich über das lesende Mädchen aus hellem Lindenholz beugte, um es die Schrift zu lehren. Ein Lamm zu ihren Füßen wies auf das, was kommen sollte. Es war schlichte Schönheit, die dieses Paar ausstrahlte, Liebe, Fürsorglichkeit und Verantwortung sprachen aus der Skulptur. Ein überaus passender Schmuck für die Kapelle lehrender und sorgender Beginen.
    Die andere aber war bei Weitem faszinierender. Aus dem knorrigen Stück einer Eschenwurzel war unter den Händen des Künstlers eine grauenvolle Figur gewachsen. Ein ausgezehrtes Weib lehnte an einem Baumstumpf, verfilzt und zottig ihre Haare, zerstört ihr Gesicht, Fetzen von Lumpen umhüllten ihren grindigen Leib. Und aus den Falten lugten überall Ratten hervor.
    Es war das Mahnmal der Vergänglichkeit, der Nichtigkeit äußeren Scheins. Dennoch hatte es etwas Anrührendes, denn die Kreaturen waren einander nicht feind. Die Ratten waren die letzten und einzigen Freunde der Verlorenen.
    Weihrauch erfüllte die Kapelle, Responsorien erklangen, Gewänder raschelten, als man sich zum Gebet hinkniete.
    Almut fühlte tiefe Ruhe in sich. Ihr Werk war vollendet und Gott übergeben. In Frieden mit sich und der Welt verließ sie die Kapelle mit den anderen, um sich den Gästen zu widmen, die an langen Tischen und Bänken im Hof bewirtet wurden. Ein kritischer Blick zum Himmel beruhigte sie. Auch wenn einige Wolken aufgezogen waren, würde es wohl am Nachmittag nicht regnen. Neben dem Kräuterbeet sah sie Meister Krudener, der ein fachkundiges Gespräch mit Elsa, Trine und Pater Henricus führte. Aus den Gesten des Minderbruders schloss Almut, dass er sich auf das Höchste vergnügte. Trine sah zu ihr hin und machte ein Zeichen, das ihr diesen Eindruck bestätigte. In dem Apotheker und dem Pater hatten sich zwei verwandte Seelen gefunden.
    Aus der Küche trugen die Mägde, drei ihrer Schülerinnen und Pitters Schwester Susi Platten und Körbe herbei, um sie auf den langen Tischen anzurichten. Erheitert beobachtete Almut, wie die kleine Susi ihrem Bruder auf die Finger schlug, als der sich eine Wurst aus dem Korb schnappen wollte. Der Päckelchesträger sah tatsächlich kleinlaut aus, während seine Schwester ihn mit strenger Stimme rügte. Beide aber wirkten an diesem Tag sehr adrett. Die Beginen hatten für sie neue Kleider genäht, und Pitter wollte schier aus seinem waidblauen Wams platzen vor Stolz. Er spreizte sich vor den Mädchen wie ein Hahn und erntete tatsächlich den einen oder anderen anerkennenden Blick.
    Meister Michael bahnte sich den Weg durch die Gäste, und sie lächelte ihn erfreut an. Dass er zur Einweihung gekommen war, freute sie besonders.
    »Ein feines Stückchen Baukunst habt Ihr da errichtet, Baumeisterin«, beglückwünschte sie der Dombaumeister. »Ich könnte mir eine wie Euch bei meinem großen Werk an meiner Seite wünschen.«
    »Ach, Meister Michael, mir ist es genug, diese kleine Kapelle gebaut zu haben. Die ist wenigstens zu meinen Lebzeiten fertig geworden.«
    »Tja, das ist ein Vorteil, Frau Almut. Die Kathedrale wird noch viele Generationen beschäftigen, und die Welt wird sich verändert haben, bis unsere Kreuzblumen die beiden Türme schmücken.«
    Er wies auf die beiden kleinen Kreuzblumen, die nun den Giebel der Frontseite zierten.
    »Vermutlich. Aber auf jeden Fall haben wir Euch zu danken für Eure großherzige Stiftung, Meister Michael.«
    »Wie hätte ich Eurem bittenden Blick widerstehen können, Frau Almut! Als Ihr sie neulich auf der Baustelle mustertet, wirktet Ihr wie ein hungriges Kätzchen vor einer Schale Sahne. Eine sehr lohnende Fähigkeit für ein Weib. Meine Druitgin beherrscht sie ebenfalls.«
    »Oh?«
    »Und hungrige Kätzchen, von denen Ihr

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