Das brennende Gewand
Stiefmutter am Sonntag in der Kirche trug.«
»Frau Barbara sieht immer prächtig aus. Sie liegt mir jedoch jedes Mal, wenn ich sie aufsuche, damit in den Ohren, ich solle meine graue Tracht doch nun endlich ablegen.«
»Du könntest es jederzeit«, bemerkte Rigmundis nüchtern und fädelte einen grünen Seidenfaden in die Nadel.
»Könnte ich, will ich aber nicht. Ich finde die Kleider, die ich trage, sehr praktisch. Goldflitter und seidene Schleppen stören beim Decken des Kapellendachs.«
»Du wirst zukünftig keine Dachschindeln mehr herumwuchten, und dein Gatte wird dir sicher Geschmeide aus purem Gold um den Hals legen. Also gewöhn dich an vornehme Gewänder.«
»Mhm«, sagte Almut und schob mit dem Webkamm das Muster des blaugrünen Bandes zusammen, das sie mit flinken Fingern herstellte.
Sie war glücklich, und die Zukunft lag tatsächlich glitzernd wie Flittergold vor ihr. Aber dennoch mischte sich ein winziges Tröpfchen Wehmut in ihren Frohsinn. Sie würde ihre Freundinnen verlassen müssen. Fünf Jahre hatte sie im Kreis der Beginen verbracht, fünf Jahre mit ihnen gearbeitet und gebetet, ihre Eigenarten kennen und verstehen gelernt, bei ihnen Hilfe, Unterstützung, Trost und Vertrauen gefunden. Der Konvent am Eigelstein war ihr ein schützender Hort geworden, und die tägliche Arbeit erfüllte sie mit Befriedigung.
Bald sollte sie diese Sicherheit verlassen und sich wieder dem weltlichen Leben stellen. An der Seite eines Mannes, der nicht gerade zu den schlichtesten aller Seelen gehörte.
Gerade deshalb liebte sie ihn.
Aber es würde sich viel ändern.
Gegen die allzu schnelle Änderung, das gestand sie sich selbst ein, hatte sie sich gewehrt und war nicht dem Vorschlag der Meisterin Magda gefolgt, wieder in ihr Elternhaus zu ziehen, nachdem ihre Hoffnungen auf eine Verbindung mit Ivo vom Spiegel sich ihrer Erfüllung näherten.
»Nein, Magda, ich bleibe, solange der Dispens noch nicht erteilt ist«, hatte sie gleich nach Ostern argumentiert. »Er ist ohnehin wieder zu den Klostergütern nach Villip aufgebrochen, und ich habe hier noch Aufgaben zu erledigen.«
Die Meisterin hatte einen leisen Laut der Erleichterung von sich gegeben und gemeint: »Nun gut, dann bau die Kapelle fertig. Es ist ja nicht so, dass ich dich vertreiben wollte.«
»Nein, Magda. Du würdest mich zu gerne hier festbinden. Um so mehr weiß ich deine Großmut zu schätzen.«
Die gewählte Leiterin des Beginenkonvents hatte vor noch gar nicht langer Zeit den Wunsch ausgesprochen, Almut möge sich entscheiden, ihre Nachfolgerin zu werden, aber dem offenkundigen Glück, das ihre Begine gefunden hatte, wollte sie natürlich nicht im Weg stehen.
»Woher hat Frau Barbara die Flinderlein eigentlich? Ich habe solchen Putz hier in Köln noch nie gesehen.«
Judiths Frage holte Almut aus ihren Gedanken zurück.
»Von Aziza natürlich. Meine Schwester überrascht uns immer wieder mit allerlei exotischem Firlefanz. Angeblich stammen sie aus Nürnberg. Dort schlagen sie diese hauchdünnen Münzplättchen, und es heißt, man verkauft sie mit gutem Gewinn ins Morgenland.«
Clara, die neben ihr saß und ein Seidenhemd säumte, giftete unerwartet heftig: »Hätte ich mir ja denken können, dass die maurische... ähm, deine Schwester solche Quellen kennt. Aber wie der weise Salomo schon sagt: ›Ein guter Ruf ist köstlicher als großer Reichtum, und anziehendes Wesen besser als Silber und Gold.‹«
»Du bist mürrisch, Clara«, stellte Almut überrascht fest. Clara war wehleidig, belesen, scharfsichtig und feinfühlig - nie mürrisch. »Was ist los?«
»Nichts.«
Wortkarg war sie gewöhnlich auch nicht. Und heiße rote Wangen sah man selten auf ihrem zartknochigen Gesicht.
Almut schwieg, machte sich aber Gedanken um die Begine, mit der sie von Anfang an das kleine Häuschen teilte, in dessen Erdgeschoss Clara vormittags ein emsiges Häuflein junger Mädchen und einen wissbegierigen Päckelchesträger in der Kunst des Lesens und Schreibens unterwies. Vor einigen Tagen aber hatte sie sie beobachtet, wie die Gelehrte mit wütender Verve einige Pergamente mit Bimsstein abrieb und neu kalkte. Palimpseste herzustellen war nicht unüblich, Schreibmaterial teuer, und das dünne Leder strapazierfähig genug, es mehrmals zu verwenden. Eigenartig war die zornige Energie, mit der Clara daran arbeitete, sie, die bei jeder schwereren Tätigkeit darüber klagte, dass sie schmerzende Finger und Husten oder tränende Augen vom Staub bekam. Doch
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