Das brennende Gewand
begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln.
»Du hast Nachrichten vom ehrwürdigen Vater für mich, Lodewig?«
»Ja, Frau Almut. Er meint, es sei wichtig. Und das finde ich auch.«
»Dann lass sie mich hören.«
»Also, das war so, Frau Almut. Als ich gestern Abend dem Pater wie üblich Brot und Wasser ans Fenster stellte, da hat er mit mir gesprochen.«
»Oh, tatsächlich?«
»Ja, Frau Almut. Er hat mich angeschnauzt!«
»Wie erfreulich!«
»Ja, das fand ich ebenso. Er verlangte gefälligst ein gebuttertes Brot.«
Mit großer Freude beobachtete er, wie das Gesicht der Begine erleichtert aufleuchtete.
»Ich trug diesen Wunsch umgehend dem Vater Abt vor, denn eigentlich sollte er nur trockenes Brot erhalten.«
»Wie reagierte der ehrwürdige Vater auf diese Bitte?«
»Mit einem tief empfundenen ›Halleluja!‹, Frau Almut. Dann gab er Weisung, ihm sofort ein altbackenes Brot mit Butter und einen Krug Honigwasser zu bringen.«
»Wie klug.«
»Ja, nicht? Frisches Brot nach langem Fasten bereitet Beschwerlichkeiten.«
»Hat er noch mehr gesagt? Pater Ivo, meine ich?«
»Nein, aber er hat das Brot umgehend zu sich genommen und auch das Getränk. Ich habe ein paar Krumen für die Spatzen vor der Klause ausgestreut, damit alles wie zuvor aussah.«
»Du bist ein kluger Bursche, Lodewig.«
»Ich weiß nicht. Ich dachte nur, weil Pitter gesehen hat, dass manchmal abends jemand zur Klause kommt.«
»Darum werden wir uns auch noch kümmern. Danke für deine Botschaft. Richte dem Vater Abt meine Grüße aus.«
»Das werde ich tun.«
»Und - mhm, warte mal.« Die Begine verschwand und kam gleich darauf mit zwei süßen Wecken zurück. »Einer für dich, den anderen legst du Pater Ivo auf den Sims.«
Lodewig zwinkerte, dann grinste er.
»Eine prächtige Idee.«
Sie auszuführen war sein nächster Schritt, aber als er mit Bertram Richtung Dombaustelle wanderte, schlossen sich ihnen Pitter und einer seiner Freunde an.
»Hat man Euch von der Kette gelassen, ehrwürdige Herren Novizen?«
»Wir haben Pflichten erfüllt.«
»Süße Pflichten, was? Das sind doch Rosinenwecken. Und gleich zwei!«
»Sie sind nicht für uns bestimmt.«
»Oh nein. Damit hast du vollkommen recht. Die sollen Joeris und meinen Magen füllen.«
Pitter grapschte nach dem Gebäck, und Lodewig entzog sie ihm. Ein kleines Gerangel begann, und erst als Bertram einschritt, hielt der Gassenjunge inne.
»Sie sollen einen sehr leeren Magen füllen, Pitter. Außerdem sind sie ein Gruß.«
Pitter verstand sofort.
»Klar! Aber nicht zwei. Einer reicht.«
»Dann iss den zweiten«, bot Lodewig friedlich an und reichte dem Päckelchesträger den Wecken. Der riss ihn in der Mitte auseinander und reichte die Hälfte seinem Begleiter. Die andere stopfte er sich umgehend in den Mund. Nicht so Joeris, der schlug seinen schäbigen Umhang auseinander und steckte ein Stückchen von seiner Weckenhälfte in den kleinen Holzkäfig, den er darunter verborgen hatte. Rote Augen schimmerten auf, und mit einem gierigen Schnappen verschwand das Gebäck zwischen den Zähnen einer weißen Ratte.
»Holla, woher hast du die denn? Ist die zahm?«
Bertram beugte sich vor und wollte seinen Finger durch die Gitterstäbe stecken, doch Joeris warnte: »Pass auf, die beißt.«
»Wir wollen noch eine fangen«, unterrichtete Pitter die Novizen und grinste. »Wollt Ihr mitkommen?«
Halbwüchsige junge Männer, die über ein paar Stunden freie Zeit verfügten, konnten sich, selbst wenn sie Anwärter auf den geistlichen Stand waren, einer solchen Verlockung nicht entziehen. Der süße Wecken wurde noch getreulich abgeliefert, dann begaben sich die vier Helden zum Duffesbach. Dieser weit aus dem Vorland entlang der alten Römermauer fließende Bach versorgte allerlei Handwerker mit Wasser. Färber, Gerber, Metzger hatten sich an seinen Ufern angesiedelt, und daher war das, was sich zur Mündung hin ergoss, auch eine rechte Kloake. Für Ratten war es jedoch ein Paradies, zumal sie auch in den alten Aduchten Behausung fanden, die unter der Stadt ein weit verzweigtes Netz bildeten.
Joeris war der Fachmann unter den Rattenfängern. Ein Stückchen Wecken nutzte er als Köder, und zu viert lagen sie alsbald auf der Lauer und beobachteten, wie sich die Nagetiere aus ihren Verstecken hervorwagten und sich der aus Weidenzweigen geflochtenen Falle näherten.
Ein großes, graues Exemplar war ihr erster Fang, und nun sollte die eigentliche Belustigung beginnen. Die weiße
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