Das brennende Gewand
weinte und geiferte. Lodewig schwieg. Aber er bewunderte die Geduld seines Freundes, der wieder und wieder beschrieb, wie er die von Claas angefertigten Holzbüsten der toten Jungfern gefunden hatte, die ihm schließlich die Augen geöffnet hatten.
»Aber Claas ist tot, und man hat den schrecklichen Pater gesehen, wie er seinen Leichnam in den Bach geworfen hat!«, hielt seine Mutter ihm entgegen.
»Wer hat es gesehen?«
»Leute, die dabei waren.«
»Wer hat dir das gesagt, Mutter?«
»Ein frommer Mönch. Ein wirklich frommer Mönch. Nicht so ein scheinheiliger wie dieser Bruder Ivo.«
»Woher wusste der fromme Mönch davon?«
»Woher? Woher? Er kümmert sich um die Armen und Ausgestoßenen. Um solche, auf die sonst keiner hört.«
»Zu welchem Orden gehört er denn? Ich möchte es aus seinem Mund hören, was er erfahren hat, Mutter.«
»Weiß nicht.«
»Trug er die schwarze Kutte der Benediktiner, die weiße der Dominikaner oder die braune der Minderbrüder?«
»Sie war braun. Ja, braun war sie.«
»Und seine Haare? War er noch jung, oder waren sie schon grau?«
»Warum willst du das nur wissen, Bertram? Warum quälst du mich damit?«
»Mutter, ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Welche Farbe hatten seine Haare?«
»Er war grauhaarig.«
»Kannst du sein Gesicht beschreiben?«
»Es war gütig. Und jetzt langt es mir. Es gibt nichts weiter zu sagen. Claas wurde von dem Bruder Ivo totgemacht. Das ist bewiesen.«
»Das ist nicht bewiesen, Frau Lena. Ihr werdet selbst in Teufels Küche geraten, wenn Ihr weiterhin solche Lügen über den Herrn vom Spiegel verbreitet«, mischte sich nun auch Lodewig ein. »Unser Abt wird mit den Minderbrüdern sprechen, und den Mönch, der Euch von Pater Ivos Handeln berichtet hat, selbst befragen. Wenn es ihn denn gibt.«
»Warum sollte es ihn nicht geben?« Lodewigs ruhige Worte hatten die erste Verunsicherung bei der Pastetenbäckerin verursacht.
»Weil ein brauner Mönch mit grauen Haaren bei uns im Kloster spioniert hat, Mutter. Ein falscher Mönch, wie wir inzwischen wissen.«
»Aber er hat Leute gesprochen, die es gesehen haben!«
»Das möchten wir von ihm selbst hören, Frau Lena. Welche Leute das waren, und was sie gesehen haben. Bertram aber hat gesehen, was sein Onkel getan hat. Ihm glaubt Ihr weniger als einem namenlosen Mann, der sich eine Kutte übergestreift hat? Ihr glaubt Eurem eigenen Sohn nicht, dass er die Machenschaften des Schreinemakers durchschaut hat? Ja, sogar krank darüber geworden ist?«
Die Bäckerin rutschte nun tatsächlich unbehaglich auf ihrem Hocker hin und her.
»Aber Claas war ein so guter Mann. Was er alles für uns getan hat...«
»Und was hat Pater Ivo für mich getan?«
Noch unbehaglicher knetete Lena ihre Schürze.
»Frau Lena, ich mache Euch einen Vorschlag. Wenn wir den Mann aufgetrieben haben, der sich als Minderbruder ausgibt, und Euch beweisen können, dass er ein Betrüger ist, geht Ihr dann zu Abt Theodoricus und erklärt, dass Ihr die Beschuldigungen gegen Pater Ivo zurückzieht?«
Sie murmelte eine Weile vor sich hin, dann aber stieß sie trotzig hervor: »Wenn er ein Betrüger war, vielleicht. Aber ich sag nicht, dass Claas ein Mörder war.«
»Das braucht Ihr nicht, Frau Lena. Nur, dass Pater Ivo keiner ist. Denn er war es nicht. Und nun müsst Ihr mich entschuldigen, ich habe den Beginen noch eine Botschaft zu überbringen.«
»Die stecken auch damit drin. Die haben eine Teufelsanbeterin bei sich aufgenommen.«
»Frau Lena, ich kann Euch nur raten, Vorsicht walten zu lassen. Ihr seid verbittert, und Eure Worte kommen unbedacht. Es wird auf Euch zurückfallen.«
»Du bist schon ein richtiger kleiner Priester, Lodewig!«, fauchte sie, und nun war es wieder Bertram, der beschwichtigend auf sie einredete.
Lodewig klopfte an der Pforte der Beginen und wurde von Bela eingelassen. Er musste eine Weile warten, denn Almut, die er zu sprechen wünschte, war unterwegs. Noch immer fühlte sich der pummelige Novize nicht besonders behaglich unter Frauen, aber die Ereignisse der vergangenen Monate hatten ihm eine gewisse Beherztheit geschenkt, die, unterstützt durch Pater Ivos Vertrauen in seine Fähigkeiten, sich zu einer langsamen Blüte entwickelte. Bescheiden wie er war, würde es ihn jedoch verdutzt haben, hätte jemand ihm zu seiner geschickten Überredung der Pastetenbäckerin gratuliert.
Sein Unbehagen aber fand bald ein Ende, denn die Begine betrat mit energischen Schritten das Refektorium und
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