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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zupfte beständig an ihrem Samtgewand herum, rückte an ihrer perlenbesetzten Haube und drapierte den hauchdünnen Schleier immer wieder neu. Bis jemand die beiden auf die vergoldeten Kupfermünzen aufmerksam gemacht hätte, wären sie schon weit von Köln entfernt gewesen.
    Aber Azizas Ehrlichkeit siegte schnell. Sie verwies den Venedigreisenden an einen anderen Geldwechsler, geleitete sie noch zur Tür und feilschte anschließend weiter mit dem Händler, der sein besonderes Augenmerk auf ein exquisites Räuchergefäß gerichtet hatte.
    Als sie sich einig waren, und das Geld in Azizas Kaste klingelte, mahnte er jedoch zum Abschied: »Seid vorsichtig, Frau Aziza. Diese beiden vorhin - die haben sich ziemlich genau umgesehen.«
    »Haben sie das? Mir wollte scheinen, dass er einen recht trüben Blick hatte und sie in ihr eigenes Bild verliebt war. Aber, dennoch, danke. Ich werde Acht geben. Wenngleich - viel zu rauben gibt es ja jetzt nicht mehr bei mir«, schloss sie mit einem schiefen Lächeln.

40. Kapitel
    Die Meisterin sah Clara ungläubig an.
    »Sie ist nicht in ihrem Zimmer, aber ihr Gewand hängt noch am Haken?«
    »Alle anderen Kleider, ihre Schuhe und ihre Trippen sind auch noch da. Auch ihre Marienstatue. Es ist sehr seltsam, Magda.«
    »Hat Bela oder Mettel sie an der Pforte gesehen?«
    »Nein. Zumindest nicht heute Morgen. Ich glaube auch, dass sie in der Nacht fortgegangen ist, so verrückt das klingt. Ich habe zwar von dieser Baldriantinktur genommen, damit ich besser einschlafen kann, aber ich meine, irgendwann leise Stimmen und die knarrende Stufe unserer Stiege gehört zu haben.«
    Magda überlegte einen Moment, dann meinte sie: »Almut hat eine Reihe schwieriger Aufgaben zu lösen.«
    »Ich weiß, Magda. Sie hat mir das eine oder andere anvertraut. Du meinst, es hätte sie jemand heimlich gerufen?«
    »Wäre doch denkbar.«
    »Aber nur im Hemd und barfuß würde sie nie auf die Straße laufen.«
    »Es sei denn, jemand hätte mit Kleidern auf sie gewartet.«
    »Um aus der Stadt zu fliehen?«
    Magda schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Sie hat mir gestern noch eine ungeheuerliche Sache erzählt, die ich mich zu glauben weigerte, aber...«
    »Aber nun?«
    »Unser Pitter kommt gleich zum Unterricht, nicht wahr?«
    »Meistens kommt er pünktlich.« Clara erlaubte sich ein kleines Grinsen. »Er ist ein Mann, der an seinen Magen denken muss, und Gertrud hat immer einen Kanten Brot und einen Zipfel Wurst für ihn bereit.«
    »Dann schick ihn, sowie sein Bauch befriedigt ist, zu mir.«
    »Du machst dir Sorgen.«
    »Ja.«
    »Ich auch.«
     
    Pitter stieg mit zwiespältigen Gefühlen die Treppe des Haupthauses empor. Es war das erste Mal, dass er zur Meisterin der Beginen bestellt worden war. Sicher, er hatte die würdige Dame Magda von Stave schon häufig gesehen, aber seine vielfältigen Erfahrungen mit den Großen und Mächtigen der Stadt hatten ihn von klein auf einen gesunden Respekt vor den Angehörigen des Patrizierstandes gelehrt.
    Hastig durchforstete er seine lebhafte Vergangenheit, ob er sich ihr gegenüber irgendwann einmal unbotmäßig verhalten hatte, fand aber nichts, was über das Plündern der konventseigenen Vorratskammern hinausging. Und das wurde von der Köchin sanktioniert.
    Höflich klopfte er an der Tür und wurde kurz angebunden hereingebeten.
    »Pitter, der Päckelchesträger?«
    »Zu Euren Diensten, hochedle Dame.«
    »Du bist, wie ich mir sagen ließ, ein Junge, der über vielerlei Nachrichten gebietet.«
    »Ich höre das eine oder andere.«
    »So höre denn umgehend nach, ob Frau Almut sich im Haus derer vom Spiegel aufhält.«
    Pitter schnappte nach Luft. Er hatte angenommen, ihre nächtliche Arbeit solle geheim bleiben. Dass die Meisterin ihn darauf ansprach, ließ ihn Schlimmstes ahnen. Ihren Blick, mit dem sie ihn maß, den konnte man guten Gewissens als bohrend bezeichnen.
    »Frau Meisterin, warum schickt Ihr nicht eine Eurer Mägde...«
    »Pitter, ich muss dich bitten, mein Denkvermögen nicht zu unterschätzen.«
    Wie unangenehm. Pitter wand sich in höchst neuartigen Qualen. Er schätzte Frau Almut sehr, und er hoffte, dass sie nicht in Schwierigkeiten geraten war.
    »Pitter!«
    »Ja, hochedle Dame?«
    »Ich fürchte, Frau Almut ist in Schwierigkeiten.«
    Wat ene dress, verdammp!
    »Pitter?«
    Die Meisterin sah tatsächlich höchst besorgt aus.
    »Ist der Herr vom Spiegel noch in der Stadt?«
    Er spürte, wie sein Adamsapfel beim trockenen Schlucken auf

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