Das brennende Gewand
hatte ich an Holz gedacht, aber immer wenn ich in den Raum schaue, will mir ein heller Stein besser gefallen. Was könnt Ihr mir raten?«
»Ein weißer Stein? Glänzend poliert würde natürlich Marmor edel wirken.«
»Ja, doch Marmor ist auch sehr teuer.«
»Sandstein ist hell und leicht zu bearbeiten, mit einem kleinen Blattfries sähe es schmuck aus.«
»Der Stein mag billig sein, der Steinmetz ist es nicht.«
Meister Michael nickte lächelnd.
»Ihr wisst um die Probleme. Aber habt Ihr schon mal daran gedacht, eine Platte aus dem Gossenstein schneiden zu lassen? Er ist von lichtem Braun und hat eine schöne Maserung, gerade wie Holz, und dem Marmor recht ähnlich.«
»Gossenstein? Den kenne ich nicht, Meister Michael. Es hört sich nicht gerade vornehm an.«
»Ist er aber doch. Man schneidet ihn aus den alten Kanälen, draußen vor der Stadt. Er scheint sich aus den Ablagerungen des Wassers gebildet zu haben, das sie einst geführt haben. Ihr habt ihn bestimmt schon oft gesehen, man verwendet ihn gerne für kleine Säulen oder Grabplatten.«
»Ich werde darauf achten, Meister Michael. Es hört sich passend an.« Währenddessen wanderte ihr Blick wieder zu der kleinen steinernen Anpflanzung von Kreuzblumen, und bevor Maria ihrer Zunge Einhalt gebieten konnte, formte sie schon die Frage: »Braucht Ihr eigentlich alle davon?«
Der Dombaumeister lachte auf.
»Ja, Frau Almut, jede einzelne. Der Dom ist ein gewaltiges Bauwerk, und noch viel mehr dieser Ornamente werden benötigt.«
»Ja, natürlich. Nun, ich danke Euch für Euren Rat, Meister Michael. Meinen Gruß an Frau Druitgin.«
»Und den meinen an Euren Herrn Vater. Ihn solltet Ihr übrigens auch nach dem Gossenstein fragen. Er wird wissen, wo man ihn billig beziehen kann.«
Bertram und sie setzten ihren Weg zum Eigelstein fort, und leise murrte sie: »Mir zwei Stück zu überlassen hätte ihm nicht wehgetan.«
Bertram lachte leise.
Bela an der Pforte begrüßte Almut kurz darauf mit der mitfühlenden Frage nach der Gesundheit ihrer Geschwister, und sie gab ihr eine ausweichende Antwort. Es gelang ihr anschließend, bis zum gemeinsamen Abendessen allen anderen aus dem Weg zu gehen, und erst am langen Refektoriumstisch sah sie die Edle von Bilk wieder. Es kostete sie große Anstrengung, sie nicht eindringlich zu mustern, um die bösartige Frau hinter der gutmütigen Maske zu erkennen. Mit mühsam gesammelter Miene machte sie sich über die Graupensuppe her und lauschte der Lesung, die diesmal recht holprig aus Mettels Mund erklang. Erst als die Mägde die allseits beliebten Nonnenfürzchen hereinbrachten und man allgemein beglückt aufseufzte, fiel die Anspannung ein wenig von ihr ab. Die goldgelb ausgebackenen Mandelküchlein wurden mit einer cremigen Soße aus Wein, Honig und Eigelb gegessen, und das Naschmäulchen Almut konnte trotz aller Vorsicht und Wachsamkeit nicht widerstehen, als die Edelfrau ihr die Hälfte ihrer Portion zuschob, mit der Begründung, die süße Speise schmerze ihr an den Zähnen. Danach aber bat sie um die Erlaubnis, sich in ihre Kammer zurückzuziehen, denn sie habe eine lange, anstrengende Nacht hinter sich.
Das zumindest war nicht gelogen. Sie war müde und legte das graue Obergewand ab. Nur mit dem Hemd bekleidet schlüpfte sie unter die Decke und schloss, obwohl es noch hell war, erschöpft die Augen.
Er war unnahbar gewesen, als sie um die Mittagszeit endlich Zutritt zu Ivo vom Spiegel erhalten hatte. In dem achteckigen Turmzimmer, das ihm von jeher als Wohnung im Haus seines Vaters gedient hatte, hatten sich auch Leon und Hardwin aufgehalten, was ihr verbot, persönlichere Worte an ihn zu richten. Aber außer dass er etwas magerer aussah, hatte der Aufenthalt in der Klause keine Spuren hinterlassen. Er trug wiederum den langen Talar eines Gelehrten, seine grauen Haare waren sorgsam gestutzt und von der mönchischen Tonsur war nichts mehr zu erkennen. Seine Stimmung hingegen war nur als dräuend zu beschreiben, vor allem, als sie ihren Verdacht ausgesprochen hatte. Er hatte nur genickt, und sie erhielt die strenge Warnung, sich nicht in Gefahr zu begeben.
Morgen, morgen würde sie gewiss Gelegenheit haben, ein paar Worte mit ihm unter vier Augen wechseln zu können. Während die Wellen des Schlafes sie überfluteten, wurden diese Worte süßer und süßer, und die Antworten darauf verloren ihre Barschheit. Ja, seine Stimme wurde sogar weich und sanft, und lockend klangen die Worte an ihr Ohr.
»Komm Almut,
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