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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ausgibt, um seiner Neigung zu frönen.«
    »Er hat sich der Alchemia und den magischen Künsten verschrieben, der Trottel«, erläuterte Ivo vom Spiegel hilfreich.
    Die sorgfältig geschriebene Liste wunderbarer Waren aus dem Morgenland las Fredegar mit Staunen. Da wurde Kampfer, Weihrauch und Myrrhe angeführt, das kannte er zumindest noch. Borax, Terpentin und Kurkuma waren ihm fremd, an Paradieskörner und Drachenblut entzündete sich seine Phantasie, aber der wichtigste Posten sollte das Quecksilber sein.
    »Was ist, wenn er Fragen dazu hat?«
    »Dann, Knappe, wirst du den jungen Tölpel spielen, der zwar feine Manieren hat, aber vom Geschäft noch nichts versteht. Das wird dich doch nicht überfordern?«
    Mildernd fügte Leon hinzu: »Ich habe mit dem Hirze zu tun gehabt, ich beschreibe dir sein Geschäftsgebaren und seine Angewohnheiten nachher.«
    »Danke, Herr de Lambrays.«
    »Und nun wollen wir das Dokument ordentlich siegeln«, verkündete Hardwin und nahm Fredegar das Pergament aus der Hand.
    »Woher habt Ihr das Siegel der Hirze?«
    »Frag nicht, Knappe.«
    Es hatte seinen Dienst getan, der Burgherr hatte es, ohne ihm einen genauen Blick zu schenken, erbrochen und mit offensichtlichem Vergnügen das Angebot gelesen. Da der Überbringer kurz vor der Komplet eingetroffen war, und das abendliche Mahl soeben aufgetragen wurde, lud er den ansehnlichen jungen Mann ein, daran teilzunehmen. Die anwesenden Damen erfreute dies, und auch Ramon, wie üblich in tiefstes Schwarz gewandet, nahm keinen Anstoß an seiner Gegenwart. Höflich, aber zurückhaltend unterhielt sich Fredegar, auch wenn er bemerkte, dass die Gäste nicht alle zu den Vornehmsten gehörten. Er schnappte die eine oder andere hilfreiche Bemerkung auf, und dann wurde die Gesellschaft zu einer alchemistischen Vorführung in das Laboratorium geführt, wo Johann Overstoltz seine Kunst im Goldmachen bewies.
    Man staunte, man fachsimpelte, und Ramon beglückte die Anwesenden mit dem Hinweis auf geheime Rezeptbücher, smaragdene Tafeln, in die uraltes Wissen eingeritzt war, Schriftrollen und Texte über den Einfluss der Planeten. Angeblich verfügten vor allem die Juden und die Mauren über Kenntnisse magischer Kräfte und mysteriöser Substanzen, die sie aber eifersüchtig hüteten.
    Weit nach Mitternacht erst bezog Fredegar sein Lager neben einem der trunkenen Gäste und hatte eine Weile alle Hände voll damit zu tun, sich dessen zärtlichen Aufmerksamkeiten zu erwehren.
    Schon im Morgengrauen machte er sich daher müde und unausgeschlafen auf den Heimweg und geriet zum Dank für seine Mühen auch noch in ein heftiges Gewitter.

42. Kapitel
    Christi Himmelfahrt begann mit einem Donnerschlag, wie es sich gehörte. Die schwarzen Wolken hatten sich am frühen Morgen zusammengeballt und entluden Feuer und Wasser über der Stadt. Dann aber zogen sie, vertrieben von einer frischen Brise, davon, und ein klarer, strahlender Sonnentag lud die Frommen zum Kirchgang ein.
    Almut hatte sich körperlich von dem Giftanschlag erholt, doch die verschwommenen Erinnerungen an ihre Wahnbilder machten ihr noch zu schaffen. War sie tatsächlich auf dem Friedhof gewesen und hatte in der Erde nach ihren Kindern gesucht? Elsa hatte ihr erzählt, dass die Wirkung der Arzneien die Sinne verwirrten. Es sei auch möglich, Stimmen zu hören, die einen riefen oder lockten. Aber dazu hatte Almut eine andere Meinung. Sie gab sich selbst die Schuld, dass sie bei dem Abendessen den süßen Kuchen und ihrer köstlichen Soße nicht hatte widerstehen können. Darin war vermutlich das Mittel verborgen gewesen, das sie betäubt hatte. Aber dann meinte sie sich zu erinnern, dass jemand bei ihr war, der ihr einen Becher Würzwein an die Lippen gesetzt und sie anschließend aus dem Hof geführt hatte. Die Stimmen mochten ihrem verwirrten Hirn entsprungen sein, aber viel eher glaubte sie, dass zunächst tatsächlich jemand auf sie eingeredet hatte. Einer Sache war sie nun jedoch ganz sicher - die Edle von Bilk war Almodis. Sie war verschwunden, und mit ihr der Dispens. Alles das war äußerst ärgerlich.
    »Fühlst du dich kräftig genug, mit uns in die Kirche zu gehen?«, fragte Clara an der Tür, und Almut, die sich gerade den weißen Schleier über das Gebände legte, bejahte das.
    Über die feuchten Straßen zogen sie gemeinsam zu Sankt Brigiden, der kleinen Pfarrkirche, die Almut besonders gerne aufsuchte. Ein Blick auf die Klause zeigte, dass Lodewig seinen Aufgaben gewissenhaft nachkam.

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