Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
neben Finan gekämpft, war über eine Ruderbank gestolpert und hatte einen Axthieb in den Rücken abbekommen. Ich kniete mich neben ihn auf den Sand, hielt seine Hand fest um den Griff seines Schwertes geschlossen und versprach, dass ich seiner Witwe Gold geben und seine Kinder aufziehen würde, als wären es meine eigenen. Er hörte mich, doch antworten konnte er nicht, und ich hielt    seine Hand, bis sein Atem zu rasseln begann. Sein Körper erbebte, und seine Seele ging in die große Dunkelheit ein. Wir nahmen seine Leiche mit und bestatteten ihn auf See. Er war ein Christ, und Osferth sprach ein Gebet über dem toten Ælric, bevor wir ihn über Bord gehen und in die Ewigkeit eintauchen ließen. Wir nahmen noch einen weiteren Leichnam mit: Skirnirs. Ihn ließen wir nackt von unserem Bug mit dem Wolfskopf hängen, um der Welt zu zeigen, dass wir gesiegt hatten.
    Wir stakten
Seolferwulf mit
der Ebbe den Wasserlauf hinunter. Als das Fahrwasser breiter wurde, drehten wir das Schiff um und begannen zu rudern. Das kleine Fischerboot hatten wir im Schlepptau und banden es bei dem Dorf los. Dann fuhren wir auf das Meer hinaus. Der
Seolferwulf
erzitterte unter den ersten niedrigen Wellen. Die grauen Wolken, die über dem Ort des Gemetzels gehangen hatten, lösten sich auf und ließen wässriges Sonnenlicht auf der bewegten See spielen. «Du hättest sie nicht leben lassen sollen», sagte Skade.
    «Skirnirs Männer?», fragte ich. «Warum hätte ich sie töten sollen? Sie waren besiegt.»
    «Sie sollten alle tot sein.» Dann sah sie mich an, und in ihren Augen standen Rachsucht und reiner Zorn. «Du hast zwei seiner Brüder am Leben gelassen! Sie sollten tot sein!»
    «Ich lasse sie am Leben.» Ohne Skirnir und seine Langschiffe waren sie ungefährlich, auch wenn Skade anderer Meinung war. «Weichling!», zischte sie mir ins Gesicht.
    Ich starrte sie an. «Sachte, Weib», sagte ich, und sie verstummte widerwillig.
    Wir hatten nur einen Gefangenen bei uns, den Schiffsmeister    von Skirnirs eigenem Schiff. Er war ein alter Mann, schon über vierzig, und die Jahre unter blendendem Sonnenlicht auf See hatten seine Augen zu schmalen runzeligen Schlitzen in einem vom Wetter dunkel gegerbten Gesicht gemacht. Er sollte unser Führer sein. «Wenn mein Schiff eine Sandbank auch nur streift», erklärte ich ihm, «dann lasse ich dich von Skade nach ihrem Geschmack töten.»
    Der
Seolferwulf
streifte keine Sandbank auf der Fahrt nach Zegge. Das Fahrwasser verlief in verwirrenden Biegungen und war mit irreführenden Markierungen gespickt, die Angreifer auf Untiefen locken sollten, doch unserem Gefangenen graute so sehr vor Skade, dass er sehr vorsichtig war. Wir kamen am frühen Abend an, tasteten uns immer weiter vor, und wie ein Anführer hing der Leichnam an unserem Bug. Die Gischt hatte Skirnirs Kadaver sauber gewaschen, und hungrige, kreischende Möwen zogen über ihm ihre Kreise.
    Männer und Frauen beobachteten uns auf unserem Weg durch den gewundenen Wasserlauf, der sich zwischen zwei der am Innenmeer gelegenen Inseln hindurchschlängelte, und dann glitten wir durch geschütztes Wasser, auf dem sich die untergehende Sonne wie schimmerndes Gold spiegelte. Skirnirs Gefolgsleute beobachteten uns, und nun sahen sie unsere stolzen Schilde, die wir außen an
Seolferwulfs
oberste Seitenplanken gehängt hatten, und sie sahen den weißlichen Leichnam an seinem Seil hängen, und keiner wollte uns herausfordern.
    Auf Zegge lebten weniger Menschen als auf den äußeren Inseln, denn von dort waren die beiden besiegten Schiffsmannschaften abgesegelt, und dort hatten auch die meisten der jetzt toten, verwundeten oder geflüchteten Männer gelebt. Eine große Frauengruppe kam zu der Anlegestelle    aus grauem Holz, die unter dem Hügel ins Wasser ragte, auf dem Skirnirs Palas stand. Die Frauen sahen unserem Schiff entgegen, dann erkannten einige den Körper, den wir als Trophäe mitführten, und sie nahmen ihre Kinder an die Hand und flohen. Acht Bewaffnete in Kettenhemden kamen von dem Palas herunter, doch als sie meine Mannschaft von Bord gehen sahen, legten sie betont langsam ihre Waffen ab. Sie wussten nun, dass ihr Herr tot war, und nicht einem einzigen von ihnen stand der Sinn danach, für seinen Nachruhm zu kämpfen.
    Und so kamen wir im Zwielicht dieses Tages an dem Palas auf dem Hügel von Zegge an, und ich starrte zu der schwarzen Masse hinauf und musste an den Drachen denken, der auf dem Hort aus Gold und Silber schlief.

Weitere Kostenlose Bücher