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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Skelett und ein paar Ratten. Die Ratten sahen erschreckt auf, blinzelten mit ihren winzigen Augen im Licht unserer dürftigen Lampen, und dann huschten sie in die Spalten zwischen den Ulmenbohlen, mit denen die Grube ausgekleidet war. Zwei der Ratten saßen im Brustkasten des toten Mannes, und sie waren die letzten, die in ihre Verstecke jagten, als sie sich endlich zwischen den Rippenknochen hindurchgewunden hatten.
    Und als sich meine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, sah ich die Münzen und die Silberstückchen. Ich sah den matten Glanz, sah, wie sie aus den Lederbeuteln hervorquollen, in denen sie aufbewahrt worden waren, denn die verrottenden Beutel waren längst von den Ratten zernagt worden. «Wer ist der Tote?», fragte ich.
    «Ein Mann, der versuchte, Herrn Skirnirs Schatz zu stehlen», antwortete der Verwalter im Flüsterton.
    «Und er wurde hier zum Sterben zurückgelassen?»
    «Ja, Herr. Er wurde geblendet, dann wurden ihm die Fersensehnen durchschnitten, und dann hat man ihn in die Grube gesperrt und seinem langsamen Tod überlassen.»
    Skade lächelte.
    «Bringt alles herauf», befahl ich Finan. Dann schob ich den Verwalter in Richtung Wohnhalle. «Du sorgst dafür, dass wir heute Abend zu essen haben. Und zwar wir alle.»
    Dann trat ich selbst in den großen Raum. Es gab hier nur einen einzigen Tisch, sodass sich die meisten Männer zum Essen auf den mit Binsenstroh ausgestreuten Boden würden setzen müssen. Es war inzwischen dunkel geworden, und das einzige Licht kam von dem großen Feuer, das wir mit Balken schürten, die meine Männer aus der Palisade rissen. Ich setzte mich an den Tisch und sah zu, wie man Skirnirs Schatz vor mir ausbreitete. Ich hatte gelacht, als die Grube geöffnet worden war, und es war ein verächtliches Lachen gewesen. In dem schwachen Licht hatte dieser so hochgerühmte Schatz läppisch gewirkt. Was hatte ich erwartet? Einen glitzernden Berg aus Gold, verziert mit einer Unzahl wertvoller Steine?
    Skirnirs Schatz war in der Tat läppisch. Er hatte zeit seines Lebens mit seinem Reichtum geprahlt; die Wahrheit hatte er hinter diesem Geprahle und unter seinen stinkenden Bettfellen versteckt. Er war nicht arm, das stimmte wohl, aber sein Hort entsprach genau dem, was man von einem Mann erwarten konnte, der kaum etwas anderes getan hatte, als Silberstückchen von kleinen Handelsfahrern zu stehlen.
    Meine Männer standen um den Tisch herum. Es war wichtig, dass auch sie sahen, was wir gewonnen hatten. Sonst hätten sie womöglich geglaubt, ich würde sie betrügen, wenn ich den Hort teilte. Sie sahen vor allem Silber, aber es waren auch zwei Stücke aus Gold dabei, dünne, aus schmalen Goldbändern gedrehte Torques, und einen dieser Halsreifen legte ich auf den Haufen für Rollo und seine Männer, und den anderen behielt ich für meine Leute. Dann waren da Münzen, zumeist Silbergeld aus dem Frankenreich, doch es waren auch einige wenige sächsische Schillinge und eine Handvoll dieser geheimnisvollen Münzen darunter, deren verschlungene Schriftzeichen niemand lesen kann. Es heißt, sie kämen aus einem mächtigen Reich im Osten. Außerdem waren da vier Silberbarren, doch der größte Teil des Schatzes bestand aus kleinen Silberstücken. Die Nordmänner haben keine Münzen, mit Ausnahme derjenigen, die sie stehlen, und deshalb bezahlen sie, wenn sie überhaupt einmal für etwas bezahlen, mit Silberstücken. Wenn ein Wikinger einen silbernen Armreif erbeutet, dann hackt er den Armreif in Stücke, wenn er etwas bezahlen muss, und ein Händler kann sie dann auswiegen. Der Verwalter brachte uns eine Waage, und wir wogen das Silber und die Münzen. Es waren etwas über dreißig Pfund.
    Das war nicht zu verachten. Wir alle würden reicher nach Hause fahren, als wir gekommen waren. Doch mein Anteil an diesem Schatz würde kaum genügen, um auch nur eine einzige Schiffsmannschaft für ein Kampfjahr zu bezahlen. Ich starrte auf den geteilten Hort, die letzten Silberstücke lagen noch in der Waagschale, und ich wusste, dass mir dieser Schatz Bebbanburg nicht zurückbringen würde. Er würde mir keine Armee bezahlen. Er würde mir nicht meine Träume erfüllen. Meine Stimmung sank, und ich dachte daran, wie Ælfric lachen würde. Mein Onkel würde schon bald erfahren, dass ich einen Sieg errungen hatte und dennoch enttäuscht worden war. Und während ich noch an sein Vergnügen dachte, entschied sich Skade zu sprechen. «Du hast gesagt, du würdest mir die Hälfte geben», sagte sie

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