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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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Unabhängigkeit entlassen worden war, wurde nach einem Militärputsch bereits im folgenden Jahr mit Tanganyika zur neuen Republik Tansania vereinigt. Ansonsten waren die neuen afrikanischen Staaten entschlossen, ihre jüngst errungene Eigenständigkeit um jeden Preis zu wahren. Als die Briten etwa mit dem Projekt einer ostafrikanischen Föderation aufwarteten, durch das die wirtschaftlich prekäre Situation Tanganyikas aufgefangen werden sollte, fanden sie nicht die nötige Unterstützung. Selbst das kleine Gambia, von dem London eine Vereinigung mit dem französischen Senegal gewünscht hatte, das Gambia von allen Seiten umgibt und von denselben Ethnien bewohnt wird, weigerte sich 1965, seine Eigenständigkeit aufzugeben.
    Andererseits konnten langfristige hehre Zielsetzungen, mit denen die Politik der Entkolonisierung an die klassische Rechtfertigung der Kolonisation als zivilisatorischer Mission anknüpften, allenfalls ansatzweise realisiert werden. Dies betraf generell das Vorhaben, an die Stelle ehemaliger Kolonien prosperierende Demokratien treten zu lassen. Wenn hier in den meisten Fällen schon bald nach der Entlassung in die Unabhängigkeit deutliche Defizite zutage traten, so ließ sich das nicht allein auf die plötzlich verordnete Beschleunigung des Rückzugs aus den afrikanischen Kolonien zurückführen, mit der notwendige vorbereitende Maßnahmen entweder verkürzt werden mußten oder sogar vollständig entfielen. Den meisten ehemaligen Kolonien fehlte eine solide oder zumindest entwicklungsfähige ökonomische Basis für die neu errungene politische Selbständigkeit. Zwar hatte es seit den späten 30er Jahren Ansätze für eine gezielte britische Entwicklungspolitik gegeben, doch diese wurden weder konsequent weiterverfolgt, noch war Großbritannien nach 1945 in der Lage, hierfür die notwendigen Mittel bereitzustellen. Zwischen 1946 und 1964 betrug die Summe der britischen Entwicklungshilfe für Afrika lediglich ca. zwei Milliarden Dollar, die der Franzosen hingegen mehr als das Vierfache.[ 21 ] Statt dessen befolgten die Briten noch am Vorabend der Entkolonisierung eine Politik, die die Wirtschaft der Kolonien den Interessen der Metropole unterordnete. Für Großbritannien waren seine afrikanischen Besitzungen in erster Linie Lieferanten wertvoller Bodenschätze oder tropischer Agrarprodukte. Dementsprechend förderte man die Kakaoproduktion in Goldküste und den Baumwollanbau in Uganda, d.h. man begünstigte die Entwicklung von agrarischen Monokulturen mit all den für die kleinen Produzenten verbundenen Gefahren, wie Bodenerschöpfung oder Hilflosigkeit gegenüber der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt. Typisch für die ökonomischen Beziehungen zwischen London und Afrika war das noch nach 1945 betriebene Projekt der forcierten Erdnußproduktion in Kenia, die sicherstellen sollte, daß «die armen britischen Hausfrauen in absehbarer Zukunft mehr Margarine, Bratfett und Seife erhalten».[ 22 ]
    Schon bald nach der Entlassung in die Unabhängigkeit zeigte es sich in den meisten jungen afrikanischen Staaten, daß die Kolonialherrschaft zwar auf der einen Seite einen Modernisierungsschub für die Wirtschaft durch die Erschließung von Bodenschätzen, die Intensivierung der Landwirtschaft und die Schaffung einer modernen Infrastruktur bewirkt hatte, daß dem jedoch erhebliche negative Auswirkungen gegenüberstanden: Die neuen Verkehrswege dienten weniger einer systematischen Erschließung der Länder als vielmehr den Interessen ausländischer Händler und Produzenten bzw. den strategischen Interessen der Kolonialmacht. Die meist einseitig ausgelegte Landwirtschaft verstärkte, oft unter Vernachlässigung der Lebensmittelproduktion für die einheimische Bevölkerung, deren Krisenanfälligkeit. Vor allem fehlte es nahezu überall an brauchbaren Ansätzen für eine Industrialisierung des Landes, so daß sich die ehemaligen Kolonien weiterhin in der Position von Rohstofflieferanten und Verbrauchsgüterimporteuren befanden. Die Konstellation einer strukturellen Unterentwicklung war damit vorprogrammiert.
    Anders als die Mängel im wirtschaftlichen Bereich, lassen sich die Demokratiedefizite in den jungen afrikanischen Staaten nicht als direkte Folgen der Zielsetzungen der britischen Kolonialherrschaft erklären. Denn es bleibt unbestreitbar, daß die Einrichtung parlamentarischer Demokratien schon deshalb im Interesse Londons lag, weil eine gemeinsame britisch geprägte politische Kultur als unerläßliches

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