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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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der anderen Hälfte in der Kreide stehen.»[ 23 ]
    Unverzichtbar blieb hingegen die Bewahrung des imperialen Selbstbewußtseins. Mit der Aufgabe der Kolonien und einer globalen militärischen Präsenz war zu keiner Zeit ein Verzicht auf weltpolitisches Gewicht verbunden. Im Gegenteil: Auch im Prozeß der Dekolonisation beanspruchte Großbritannien eine Führungsrolle, die der Vorbildfunktion entsprechen sollte, die in seiner Selbsteinschätzung die besondere Form britischer Kolonialherrschaft im Vergleich mit den übrigen europäischen Kolonialmächten besessen hatte. Vor allem legte die britische Politik stets größten Wert darauf, sich auch beim Rückzug als Herr des Geschehens zu präsentieren und in keiner Situation den Anschein zu erwecken, sie weiche überlegener Gewalt. Um dieser Maxime willen führte Großbritannien schließlich seinen letzten imperialen Krieg, und zwar zu einer Zeit, als kein Empire mehr existierte, das es zu verteidigen galt. Es ging um die seit 1841 von den Briten als Kolonie verwalteten Falklandinseln im Süd-Atlantik. Zwanzig Jahre hatten sich die immer wieder aufgenommenen Verhandlungen zwischen Großbritannien und Argentinien um die Zukunft der unwirtlichen Eilande ergebnislos hingezogen, als im April 1982 die argentinische Militärjunta die Inseln im Handstreich besetzte.
    Doch die Argentinier hatten die Entschlossenheit der von Margaret Thatcher geführten konservativen britischen Regierung unterschätzt. Mit einer aufwendigen, wohlorganisierten und diesmal von den USA durchaus gebilligten und logistisch unterstützten militärischen Expedition gelang es, die 13.000 Seemeilen von England entfernten Inseln bereits vier Wochen später zurückzuerobern. Die kurzen, aber erbitterten Kämpfe forderten das Leben von 255 britischen und 655 argentinischen Soldaten. Offiziell handelte es sich um einen durch eine UN-Resolution gedeckten Befreiungskrieg im Interesse der Siedlerpopulation der Inseln, in Wahrheit aber hatten die Briten diesen Krieg geführt, weil sie sich, wie der Außenminister Lord Carrington es ausdrückte, durch eine «great national humiliation» herausgefordert sahen. Letztlich ging es um die Ehre und die Reputation eines nicht mehr existenten Empire. Die Aktion war der Unternehmung des norwegischen Prinzen Fortinbras in Shakespeares Hamlet vergleichbar, der, als Gegenfigur zu dem zaudernden Helden konzipiert, ohne zu zögern im Streit um ein Fleckchen Erde zu Felde zieht, «that hath in it no profit but the name», bei dem aber sehr wohl die Ehre auf dem Spiele steht. So sah es zumindest auch die Mehrheit der Briten, die Margaret Thatcher, deren Regierung sich damals in einer Krise befand, dafür mit einem entsprechenden Popularitätsbonus dankten.
    Ansonsten hatten die Briten bei dem ebenso vielfältigen wie raschen Dekolonisationsprozeß stets nicht nur das Gesicht wahren, sondern zugleich die vage Hoffnung auf ein neues, ein drittes Empire hegen können. Man setzte darauf, indirekte Herrschaft in der Form von Einflußnahme seitens Großbritanniens an die Stelle direkten Kolonialregiments treten zu lassen. Den institutionellen Rahmen dafür meinte man bereits in Gestalt des Commonwealth zu besitzen. Darin erblickte z.B. Lord Mountbatton, der letzte Vizekönig von Indien, «die größte Chance, die sich je dem Empire geboten hat».[ 24 ]
    In der Tat hatte das Commonwealth in dem 1931 durch die Statute of Westminster vorgegebenen Rahmen die Bewährungsprobe des Zweiten Weltkriegs eindrucksvoll bestanden. Als freiwilliger Verbund autonomer gleichberechtigter ehemaliger weißer Siedlungskolonien mit dem ursprünglichen Mutterland bildete es den politischen Kern des Empire, wobei die entscheidenden Impulse immer noch von London ausgingen. Da die Dominions ihrerseits aus einer ersten Phase der Dekolonisation hervorgegangen waren, schien die Hoffnung berechtigt, eines Tages das gesamte Empire in diesem Commonwealth aufgehen und so in veränderter Form wiedererstehen zu lassen. Doch schon bald mehrten sich die Anzeichen, daß eine ebenso rasche wie substantielle Erweiterung der Mitgliedschaft einschneidende Veränderungen mit sich bringen mußte. Ursprünglich eine Art ‹Greater Britain› in der Form eines Klubs ‹weißer› Mitgliedsstaaten, ließen sich dessen Zielsetzungen und Regularien nicht ohne weiteres auf eine Versammlung junger Nationen übertragen. Vor allem wirkte sich der allgemeine Machtverlust Großbritanniens auch auf dessen Rolle innerhalb des Commonwealth

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