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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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die explizite Absage an eine Fortsetzung der Rolle Großbritanniens als Weltmacht. Noch nach der Aufgabe Indiens hatten führende Politiker der beiden großen Parteien die Überzeugung vertreten, daß England fortfahren werde, eine weltpolitische Rolle zu spielen, die sich auf eine weltweite militärische Präsenz stützen müsse. In diesem Zusammenhang wurde die Idee eines Dritten Empire als eines Netzwerks strategischer Stützpunkte diskutiert. Selbst nach dem Suezdebakel war Großbritannien gewillt, weiterhin seine historische Mission als Ordnungsmacht «East of Suez», die einst der Poet des Empire, Rudyard Kipling, beschworen hatte, wahrzunehmen. Noch im Jahre 1966 bezeichnete der Labour-Premier Harold Wilson den Himalaya als Grenze der britischen Einflußzone. Doch die harten Fakten des wirtschaftlichen Niedergangs sprachen eine andere Sprache: Der rasche Verfall des britischen Pfundes, steigende Rohstoffpreise infolge der Schließung des Suez-Kanals, immer häufigere Streiks in England und leere Staatskassen zwangen zu einem radikalen Kurswechsel. Zum Mißvergnügen der Amerikaner, die Großbritannien als ihren Juniorpartner im asiatischen Raum betrachteten, erklärte die Regierung Wilson 1968 mit bewußter Aufnahme der Formel Kiplings, ihr militärisches Engagement «East of Suez» als beendet. Alle britischen Truppen wurden bis zum Ende des Jahres 1971 aus Malaysia, Singapur und dem Persischen Golf abgezogen. Statt ein eigenes globales strategisches Konzept zu verfolgen, war im Zeichen des kalten Krieges das militärische Potential Großbritanniens forthin, zumindest bis 1989, in die NATO integriert und somit auf Europa konzentriert.
    Schließlich sah sich Großbritannien in Erfüllung eines 1898 geschlossenen Vertrages mit China gezwungen, nach 99 Jahren am 1. Juli 1997 Hongkong der Souveränität der Volksrepublik China zu unterstellen, immerhin mit dem Vorbehalt, daß der ehemaligen Kolonie für die nächsten 50 Jahre ein gewisses Maß an demokratischer Selbstverwaltung erhalten bleibe. Doch damit war das letzte überseeische Besitztum von Gewicht aufgegeben. Was zu Beginn des 21. Jahrhunderts übrigbleibt, sind allenfalls Konfettischnipsel des vergangenen Empire. Abgesehen von der Festungsstadt Gibraltar, deren Bevölkerung aus wohlverstandenem Eigeninteresse die Oberhoheit des fernen London einer Eingliederung in den spanischen Staat vorzieht, handelt es sich hierbei um winzige Inseln, die sich auf den Karten des Atlantik und Pazifik nur mit Hilfe einer Lupe orten lassen: Anguilla, die Jungfrauen-, Kayman-, Turks- und Caicos-Inseln sowie Montserrat im karibischen Raum; Bermuda, das sich 1995 in einer Volksabstimmung für den Verbleib unter britischer Herrschaft entschied; die Tschagos-Inseln im Indischen Ozean; St. Helena und Ascension, Tristan da Cunha, die South Georgia-, South Sandwich- und Falkland-Inseln – allesamt im südlichen Atlantik; Pitcairn und seine Nachbarinseln, wo 1790 die Meuterer der Bounty im südlichen Pazifik ihre Zuflucht fanden sowie schließlich das Britische Antarktische Territorium mit Graham Land, den Südshetland- und den Süd-Orkney-Inseln.

    Vor dem Hintergrund eines von der Gründung von Jamestown 1607 bis zur Aufgabe Hongkongs 1997 nahezu vier Jahrhunderte währenden kolonialen Engagements Englands in Übersee fand die Auflösung des Empire mit unverhältnismäßiger Geschwindigkeit statt. Dies war auch darauf zurückzuführen, daß der Rückzug aus Übersee in der Metropole nicht umstritten war. Die beiden großen Parteien waren sich hier in der Sache einig, und in der Öffentlichkeit löste das Ende des Empire keine große oder gar kontrovers geführte Debatte aus. Zu präsent war noch der Krieg mit seinen Folgelasten, zu drängend waren vor allem die wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegszeit, als daß gar, wie etwa in Frankreich, das Ende des Kolonialreichs über Jahre hinaus zum Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen werden konnte. Allerdings war, ebenfalls im Gegensatz zu Frankreich, nur eine kleine Minorität von Briten von den Folgen des Rückzugs aus dem Empire persönlich betroffen. Generell überwogen nüchterner Pragmatismus, die Einsicht in ökonomische Realitäten und finanzielle Notwendigkeiten. Bereits vor dem Ende des Krieges hatte der Ökonom John Maynard Keynes in seiner damaligen Funktion als Berater des Schatzamtes gewarnt: «Wir können nicht auf eigene Kosten in der einen Hälfte der Welt für Ordnung sorgen, wenn wir gleichzeitig bei

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