Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Ausscheiden Südafrikas Großbritannien und seine ehemaligen ‹weißen› Dominions nurmehr eine Minorität bildeten. Für die Geschäftsführung der Organisation wurde 1965 das Commonwealth Secretariat gebildet, das zwar seinen Sitz in London hatte, dessen Personal sich allerdings aus allen Mitgliedsstaaten rekrutiert und dessen hauptamtliche Generalsekretäre bislang ausnahmslos Nicht-Briten waren. Im Jahr darauf fand zum ersten Mal ein Treffen der politischen Führer der Mitgliedstaaten nicht in London, sondern im afrikanischen Lagos statt, und damit verlor der britische Premier sein bisheriges Privileg, automatisch den Vorsitz bei dieser Versammlung zu übernehmen. Dieses Recht fiel fortan dem Premier des jeweiligen Gastlandes zu.
Überhaupt zeichnete sich eine Umkehrung der alten Verhältnisse ab, unter denen Großbritannien die Richtlinien für die Politik des Commonwealth vorgegeben hatte. Nun war es die Majorität der Mitgliedsstaaten, die wiederholt Korrekturen der britischen Politik anmahnte. Dies betraf vor allem Großbritanniens Politik gegenüber Südafrika, denn die Briten weigerten sich mehrfach, entschiedenen Resolutionen gegen den Staat der Apartheid zuzustimmen oder gar an gemeinsamen Sanktionen mitzuwirken. Den Höhepunkt erreichten diese Differenzen in den späten 80er Jahren, als wiederholt Kommuniqués mit dem Zusatz verabschiedet wurden: «with the exception of Britain», was Mrs. Thatcher 1989 zu dem Kommentar veranlaßte: «Wenn es 48 Stimmen gegen eine heißt, dann tun mir die 48 leid.»[ 25 ]
Wie gravierend sich das Verhältnis zwischen der Metropole und ihren ehemaligen Kolonien änderte, war in anderer Beziehung bereits in den 50er Jahren deutlich geworden, als sich der über mehr als drei Jahrhunderte bestehende Migrationsstrom zwischen England und seinen überseeischen Besitzungen umkehrte. Bislang hatte die Zahl der Auswanderer stets die Zahl der Einwanderer nach Großbritannien übertroffen. Doch als 1948 mit dem Passagierdampfer Empire Windrush 492 Arbeit suchende Immigranten aus Jamaika eintrafen, setzte ein neuer Trend ein. 1955 waren es ca. 35.000, 1961 sogar 115.000 Einwanderer, die vornehmlich aus der Karibik stammten. Und sie kamen als Bürger des Commonwealth und somit als Erben eines Weltreiches, in dem die Führungsmacht Großbritannien nicht nur die Freiheit des Handels, sondern auch allgemeine Freizügigkeit zum leitenden Prinzip ihrer Politik erhoben hatte. Als nach 1947 die ehemaligen Kolonien daran gingen, für ihre neuen Staaten das Recht auf Staatsbürgerschaft und Einwanderung zu definieren, verabschiedete die britische Regierung 1948 demonstrativ die British Nationality Act, mit der das britische Bürgerrecht allen Bürgern sämtlicher Commonwealth-Staaten zuerkannt wurde, die somit befugt waren, jederzeit ihren Wohnsitz in Großbritannien zu nehmen. Doch je mehr davon im Laufe der 50er Jahre Gebrauch machten, um so mehr führte dies zu Spannungen im Lande, die 1958 vereinzelt sogar in gewalttätigen Ausschreitungen gipfelten wie in Nottingham und im Londoner Stadtteil Notting Hill mit seinen zahlreichen Zuwanderern aus West-Indien. Die Konflikte beruhten nicht nur auf den sozialen Spannungen zwischen Arbeit und Auskommen suchenden Einwanderern und etablierten Einheimischen, sondern letztere wandten sich mit ihren zunehmenden Appellen für Einwanderungsbeschränkungen generell gegen farbige Immigranten (‹black and brown Britons›), die, vor kurzem noch Untertanen der weißen Kolonialherren, nun den Status gleichberechtigter Bürger beanspruchten. Die Regierung befand sich in einer schwierigen Situation. Während im Commonwealth der Widerstand gegen jede Form des Rassismus von der Majorität der Mitglieder zum Grundprinzip gemeinsamer Politik erhoben wurde, sah sie sich in England durch eine rassistisch gefärbte Xenophobie von Teilen der Briten, die sicherlich auch eine Spätfolge einer Jahrhunderte währenden Kolonialherrschaft war, zunehmend unter Druck gesetzt. Und so beendete Großbritannien 1962 seine bislang gegenüber ehemaligen Untertanen aus den Kolonien gehandhabte Politik der ‹offenen Tür› mit der Commonwealth Immigration Act. Fortan war eine gültige Arbeitserlaubnis die Voraussetzung für die Einwanderung, wobei die konservative Regierung darauf setzte, daß diese Einschränkung zumindest formal nicht rassistisch-diskriminierend war. 1968 und 1971 wurden diese Bestimmungen weiter verschärft, so daß nun selbst Personen aus den
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