Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
wie Kanada, die einstige Weltmacht Großbritannien sowie die aufstrebende Großmacht Indien reicht, umfaßte es zuletzt 56 Mitglieder. Dabei versteht es sich heute als Vereinigung zum Schutz und zur Förderung von Demokratie, von Menschenrechten und von sozialer Gerechtigkeit. Auf der Commonwealth-Konferenz des Jahres 1971 in Singapur wurden erstmals solche hehren Ziele als eine Art neuer Commonwealth-Charta verkündet, die konkret auch gegen Großbritannien gerichtet war, das damals dem verfemten Südafrika Waffen verkaufte. Indem man sich nicht nur gegen Rassendiskriminierung, sondern generell gegen jede Form von Kolonialherrschaft aussprach, beanspruchte das Commonwealth nun eine Vorreiterrolle im Prozeß der Dekolonisation. Zwanzig Jahre später wurden diese Zielsetzungen durch die Harare Commonwealth Declaration aufs Neue bekräftigt, wobei jetzt, da angesichts der veränderten Situation in Afrika weder Rhodesien noch die Apartheidspolitik zu Konflikten zwischen der Mehrheit des Commonwealth und Großbritannien führen konnten, auch London wieder verstärktes Interesse am Commonwealth zeigte. Es war dieses Mal sogar maßgeblich an der Abfassung der Deklaration beteiligt, die daher auch die Bedeutung einer freien Marktwirtschaft für künftigen wachsenden Wohlstand besonders hervorhebt.
Mit der Verkündung solch erhabener allgemeingültiger Prinzipien steht das Commonwealth zumindest in einer Hinsicht weiterhin in der Tradition des Empire: indem es sich als Träger einer im 19. Jahrhundert allerdings vorwiegend christlich-britisch geprägten zivilisatorischen Mission begreift. Gleichzeitig entfernt es sich jedoch von seinen historischen Wurzeln, wenn es sich in jüngster Zeit für den Beitritt von Staaten öffnet, die einst nicht dem Britischen Empire angehörten. 1995 erhielten Mozambique sowie Kamerun den Status von ordentlichen Mitgliedern, andere drängen auf den Beitritt: Ruanda, der Jemen und die Palästinenser, und es ist sogar die Rede davon, daß selbst Israel und die Republik Irland dieses Ziel verfolgen.
So bildet das Commonwealth heute weder eine politische noch eine ökonomische Einheit, und auch die Vergangenheit liefert nicht mehr die allen Mitgliedern gemeinsame Basis. Statt dessen versteht es sich als auf die Zukunft hin orientierte Wertegemeinschaft, und gelegentlich handelte es dementsprechend: Als es etwa 1995 Nigerias Mitgliedschaft wegen eklatanter Verletzungen der Menschenrechte vorübergehend suspendierte, 1987 die Fidschi-Inseln und 1997 Sierra Leone eine Zeitlang wegen eines Militärputsches ausschloß. Doch gleichzeitig entspricht die Realität keineswegs überall den verkündeten Idealen, denn nur eine Minderzahl der Mitgliedstaaten sind lupenreine parlamentarische Demokratien; statt dessen finden sich Militärdiktaturen und Einparteienstaaten, in denen es um die Beachtung der Menschenrechte keineswegs immer gut bestellt ist. Dennoch ist das Commonwealth immer noch mehr als eine Farce, denn es besitzt jenseits der Ebene unmittelbarer praktischer Politik durchaus seine Funktion. So dient es gerade der Vielzahl von staatlichen Winzlingen wie den ehemaligen Inselkolonien in der Karibik und der Südsee als willkommenes Forum für alle Arten von Kooperation. Vor allem aber liefert es den Rahmen für die unterschiedlichsten übernationalen Vereinigungen, die sog. VIPPSOs, wie sie im Jargon der politischen Insider heißen: ‹voluntary, independent, professional, philantropic, and sporting organizations›. Hier werden inoffiziell Kontakte gepflegt und ausgebaut wie zwischen Universitäten, Berufs- und Hilfsorganisationen, zahlreichen sonstigen kulturellen Institutionen und Vereinigungen. Als 1997 aus Anlaß der Goldenen Hochzeit Königin Elisabeths II. wieder einmal eine Commonwealth-Konferenz in Großbritannien stattfand und sich die Vertreter von damals 54 Mitgliedern in Edinburgh versammelten, bildete zur gleichen Zeit ein einwöchiges Commonwealth-Forum den Treffpunkt für über achtzig solcher nichtstaatlichen Organisationen. Am augenfälligsten tritt dieses neue Commonwealth, das zunehmend als ‹People’s Commonwealth› bezeichnet wird, im Bereich des Sports in Erscheinung, besonders, wenn alle 4 Jahre, vergleichbar einer kleinen Olympiade, die Commonwealth Games an wechselnden Veranstaltungsorten abgehalten werden. Als ‹Peoples Commonwealth› ist so das Britische Empire, einst eine weltweit bestimmende wirtschaftliche und machtpolitische Größe, zumindest im Bereich der
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