Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Commonwealth-Mitgliedsstaaten, die im Besitz eines britischen Passes waren, nicht ohne weiteres unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen erhalten konnten.
Damit hatte nun Großbritannien der Idee eines gemeinsamen, das gesamte Commonwealth einschließenden Bürgerrechts eine Absage erteilt. Nahezu gleichzeitig nahm die Regierung Macmillan Verhandlungen über Großbritanniens Eintritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf, nachdem man zunächst, unter Berufung auf das Commonwealth, bei deren Gründung abseits gestanden hatte. Jetzt handelte London unter dem Eindruck der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, in deren Verlauf der britische Handel mit Europa in dem Maße an Bedeutung gewann, in dem die Geschäfte mit Commonwealth-Partnern zurückgingen. Auch hier vollzog die britische Politik eine nahezu unvermittelte Kehrtwendung, die, trotz aller Zusicherungen, man werde auch weiterhin den Wirtschaftsbeziehungen mit dem Commonwealth entsprechende Prioritäten einräumen, auf Unverständnis und scharfe Kritik bei dessen Mitgliedern stieß. Selbst als der britische Eintritt in die EWG zunächst zweimal am Veto Frankreichs scheiterte und erst 1972 vollzogen werden konnte, war der reduzierte Stellenwert des Commonwealth im Koordinatensystem der britischen Politik nunmehr offenkundig. Schließlich hatte sich Großbritanniens verstärkte Hinwendung zu Europa, vor allem bedingt durch die Konstellation des Kalten Krieges, schon früher mit der Gründung der NATO abgezeichnet.
Die Hoffnungen derjenigen, die darauf gesetzt hatten, daß das Commonwealth als neue politische Union an die Stelle des einstigen Empire treten würde, scheiterten nicht allein an Großbritannien; sie wurden vollends hinfällig, als der Streit zwischen Indien und Pakistan über die Zugehörigkeit Kaschmirs 1965 in einem bewaffneten Konflikt kulminierte und die beiden Commonwealth-Mitgliedstaaten neue Allianzen mit der Sowjetunion bzw. China eingingen. Und als es 1971 aus Anlaß der Abtrennung von Ost-Pakistan erneut zum Krieg kam, schied Pakistan vorübergehend aus dem Commonwealth aus, da der neue Staat Bangladesh als Mitglied aufgenommen wurde.
Vieles trug dazu bei, daß sich das Konzept eines ‹Dritten Empire› in Gestalt eines erweiterten Commonwealth frühzeitig als Illusion erwies. Denn mit dem Verlust, bzw. mit der Umwandlung seines Kolonialreiches, hatte Großbritannien jene Substanz verloren, deren es als Führungsmacht des neuen Commonwealth bedurft hätte. Das neue Commonwealth of Nations besaß kein Machtzentrum mehr, und von einer eigenständigen weltpolitischen Rolle konnte zu keiner Zeit die Rede sein. In dem erst in den frühen 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts errichteten Gebäude des Commonwealth Institute im eleganten Londoner Stadtteil Kensington, einst der Schaukasten für die Kultur des Commonwealth, haben sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts Hausbesetzer eingenistet, und man bemüht sich um Aufhebung des Denkmalschutzes, um das Haus in Luxuswohnungen umwandeln zu können. Es verwundert daher nicht, wenn sich britische Imperialisten der alten Schule schon frühzeitig enttäuscht vom Commonwealth abwandten. Enoch Powell, der radikale Nationalist und beharrliche Gegner jeder Form von Zuwanderung aus den neuen Commonwealth-Staaten, bezeichnete es höhnisch als den «Geist des Empire, der gekrönt auf dessen Grabe hockt», und bereits 1964 nannte ein konservativer Leitartikler der Times die Nachfolgeorganisation des Empire «a gigantic farce».[ 26 ]
Doch zwischen 1947 und 1967, als ehemalige britische Kolonien und Protektorate reihenweise zu neuen Commonwealth-Mitgliedern mutierten, besaß dieses neue Commonwealth eine wichtige Funktion. Sowohl für englische Politiker wie vor allem für die englische Öffentlichkeit hatte die rhetorische Figur des Commonwealth durch die Hoffnungen, die sie suggerierte, als Narkotikum gewirkt, mit dessen Hilfe die Amputation des Empire ohne nachteilige Nebenwirkungen vollzogen werden konnte.
Und schließlich existiert das Commonwealth of Nations bis zum heutigen Tage, wenn auch seine Organisationsform und seine Agenda nicht mehr als unmittelbare Ableitungen des Britischen Empire verstanden werden können. Als loser Zusammenschluß von Staaten von unterschiedlichstem Gewicht, wobei die Skala von winzigen Inselrepubliken wie der Südseeinsel Nauru mit ca. 10.000 Einwohnern über sog. ‹Entwicklungsländer› wie die ehemaligen afrikanischen Kolonien, etablierte einstmalige Dominions
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