Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
echte Aktienprinzip realisiert.
Trotz dieser anfänglichen Mängel und Schwierigkeiten wuchs die Gesellschaft rasch zur größten englischen Handelskompanie und brachte in den ersten dreißig Jahren ihres Bestehens insgesamt fast 3 Millionen Pfund auf. Die Zahl der Anteilseigner stieg auf über 1000 im Jahre 1640, die meisten von ihnen gehörten der Londoner Kaufmannschaft an. 1601 verließ der erste Konvoi der Kompanie, bestehend aus vier Schiffen mit insgesamt 1400 Tonnen Ladung und 480 Mann an Bord London mit Kurs auf Java und Sumatra. Zwei Jahre später kehrte man mit einer riesigen Ladung Pfeffer wieder zurück, die allerdings nur schleppend abgesetzt werden konnte, so daß die Aktionäre sich mit einer angesichts des hohen Risikos bescheidenen jährlichen Gewinnrate von ca. 20 % begnügen mußten. Dennoch galt das Unternehmen als Erfolg; weitere jährliche Reisen folgten, wobei von 1608 an auch der indische Hafen Surat angelaufen wurde.
Besondere Schwierigkeiten bereitete der Kompanie der Umstand, daß sie ihren Handelspartnern in Fernost ihrerseits keine attraktiven Produkte anbieten konnte, denn für den Hauptexportartikel Englands, die schweren Wollstoffe, bestand in den Tropen selbstverständlich kein Bedarf; außerdem waren europäische Textilien auf dem dortigen Markt zu teuer. Umso stärker war die Nachfrage nach Edelmetallen, besonders nach Silber, das in Asien zu einem weitaus höheren Preis als in Europa gehandelt wurde. Da andererseits der damals herrschenden ökonomischen Lehre zufolge der Handel in erster Linie der Steigerung der Finanzkraft des Staates zu dienen hatte, die ihrerseits an der Menge der ihm zur Verfügung stehenden Edelmetallvorräte gemessen wurde, galt es als ökonomischer Sündenfall, größere Mengen an Silber zu exportieren. Hierfür bedurfte die East India Company einer ausdrücklichen Genehmigung, die in ihrer Charter niedergelegt war. Dennoch wurde ihre Handelspraxis immer wieder kritisiert, denn im Laufe der ersten 23 Jahre ihrer Existenz transportierten ihre Schiffe Silber im Gegenwert von 753.336 Pfund, während der Wert der sonstigen Ausfuhren nach Ostasien weniger als die Hälfte betrug.[ 11 ] Zur Rechtfertigung dieser Praxis wurde allerdings angeführt, daß zwischen 50 % und 90 % des importierten Pfeffers in nordeuropäische Länder zu Preisen re-exportiert wurde, die den Wert des dafür gezahlten Silbers um das Vier- bis Fünffache überstiegen und so trotz hoher Transportkosten letztlich eine aktive Handelsbilanz gewährleisteten. Eine weitere Besonderheit des Asienhandels war, daß es für eine rationelle Abwicklung der Einrichtung fester Handelsstationen bedurfte, in denen Agenten der Gesellschaft die zur Verschiffung nach England bestimmten Waren sammelten. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte die Kompanie sowohl im indonesischen Raum wie auch an den indischen Küsten zwölf solcher Faktoreien eingerichtet – zunächst meist in einheimischen Hafenstädten wie Surat (1613), Masulipatam (1611) oder Hugli (1651); später kamen eigene befestigte Stationen hinzu wie Madras (1639), Bombay (1661 als Mitgift der portugiesischen Gemahlin Karls II. von diesem der East India Company 1668 übereignet) und Kalkutta (1696). Die hier stationierten Angestellten, anfangs ca. 200 an der Zahl, wurden damit entlohnt, daß ihnen das Recht zugestanden wurde, auf eigene Rechnung Geschäfte zu tätigen. Dies war umso leichter möglich, als die Gesellschaft, die während der ersten Jahrzehnte ihrer Tätigkeit ihre Profite auch dadurch zu steigern versucht hatte, daß sie sich im innerasiatischen Handel engagierte und ihre Schiffe asiatische Häfen vom Roten Meer bis hin nach Japan anliefen, schon bald dieses einträgliche Geschäft in zunehmendem Maße ihren Handelsagenten zu deren privatem Nutzen überließ.
Für den langfristigen Erfolg der Gesellschaft war vor allem entscheidend, daß die Palette der importierten Produkte um die Jahrhundertmitte notgedrungen erweitert wurde, da die Engländer letztendlich der weitaus finanzkräftigeren holländischen Ostindienkompanie deren führende Position auf dem Markt mit Pfeffer und anderen fernöstlichen Gewürzen nicht entscheidend streitig machen konnten. Statt dessen verlegte man sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in zunehmendem Maße und mit durchschlagendem Erfolg auf die Einfuhr hochwertiger indischer Baumwolltextilien, deren Qualität die europäischer Produkte weit übertraf. So stieg zwischen 1660 und 1680 der
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