Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Company im Mutterland konfrontiert sah, denn sie gefährdeten nicht nur ihren wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch ihre Existenz – und dies nicht zuletzt wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge. Die Profite der Gesellschaft weckten Begehrlichkeiten – nicht nur bei denjenigen, die von ihrem Monopol ausgeschlossen waren, sondern auch bei dem, der ihr dieses Handelsmonopol verliehen und garantiert hatte: nämlich dem Staat. Sowohl der König selbst wie auch seine Minister ließen sich den Schutz des Handelsprivilegs der Kompanie immer wieder durch Zahlungen, günstige Anleihen oder gar Bestechungen entgelten. Das hinderte sie nicht daran, gleichzeitig einzelnen Kaufleuten gegen Zahlung zu gestatten, ungeachtet des Monopols der Gesellschaft eigene Handelsgeschäfte im indischen Raum zu betreiben. Überdies entstanden der Kompanie beträchtliche, allerdings nie genauer bezifferte Verluste durch die interlopers, durch Händler, die ohne jede Lizenz das Monopol mißachteten und zu denen auch zahlreiche in Indien tätige Angestellte der Kompanie gehörten. So brachte es etwa ein gewisser Thomas Pitt, Sohn eines Geistlichen aus der Grafschaft Dorset, der zunächst 1673 in Diensten der Gesellschaft nach Indien gegangen war, zu einem riesigen Vermögen, das er dann in Gestalt des größten Diamanten seiner Zeit (ca. 410 Karat) nach England transferierte.[ 12 ]
Vor allem in der Epoche der Wirren des Bürgerkriegs und der Revolution sah sich die East India Company wachsender einheimischer Konkurrenz ausgesetzt, bis sie zunächst 1657 von Oliver Cromwell und nach der Restauration der Monarchie 1661 von Karl II. neu organisiert und mit neuen Privilegien ausgestattet wurde. Von nun an war sie eine echte Aktiengesellschaft, der nicht allein das Handelsmonopol mit Indien bestätigt wurde, sondern die zudem das Recht erhielt, auf eigene Rechnung Truppen aufzustellen, Krieg zu führen, Festungen einzurichten, Verträge zu schließen sowie die Jurisdiktion über alle Engländer in Indien auszuüben. Damit waren von seiten des Staates Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die East India Company in Indien selbst einmal staatlichen Charakter annehmen könne, ohne daß einstweilen solche Zielsetzungen bestanden hätten.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte die Gesellschaft in enger Bindung an die restaurierte Monarchie ihre große Blütezeit, mußte allerdings ihr Monopol fortwährend gegen wachsende freie Konkurrenz verteidigen, denn in der Praxis kamen ihre Gewinne nur einer kleinen Gruppe von Großaktionären zugute, die eifersüchtig über ihre Privilegien wachten. Und so geriet sie nach 1688 abermals in den Strudel der politischen Umwälzung, mit dem Ergebnis, daß sich 1698 ihre zahlreichen Konkurrenten in einer ebenfalls staatlich lizensierten New East India Company zusammenschlossen, der für den Preis einer Anleihe von zwei Millionen Pfund an die Staatskasse nun das Monopol des Indienhandels zuerkannt wurde, während man ihrer Vorgängerin nur noch wenige Jahre für die Abwicklung ihrer Geschäfte zubilligte. Doch die Führung der alten Gesellschaft taktierte mit großem Geschick, ließ ihre vielfältigen Beziehungen spielen und erwarb vor allem Aktienpakete der neuen Gesellschaft. Da sie zudem in Indien über eine starke Position und ein etabliertes Netzwerk verfügte, erreichte sie schließlich die Fusion der alten und der neuen Kompanie. 1709 trat die United Company of Merchants of England trading to the East Indies an die Stelle der beiden rivalisierenden Gesellschaften, um den Preis einer abermaligen zinsgünstigen Anleihe von 1,2 Millionen Pfund für die in den großen spanischen Erbfolgekrieg verstrickte Regierung.
Finanztechnisch läßt sich die neue Gesellschaft als Zusammenschluß von Staatsgläubigern bezeichnen, die für ihren unkündbaren Kredit mit dem Monopol des Ostindienhandels entschädigt wurden. So wurde die East India Company im Laufe des 18. Jahrhunderts zum Hauptgläubiger des Staates; 1737 z.B. betrug ihr Kapital mehr als 4 Millionen Pfund, die an die Regierung ausgeliehen waren, während die Gesellschaft aus ihren Zinseinnahmen ihre gewinnträchtigen kommerziellen Unternehmungen finanzierte. Dies muß im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, daß seit der Glorreichen Revolution und mit der Einrichtung der Bank Of England eine de facto parlamentarisch verantwortliche Regierung die Staatsschuld garantierte, in die fortan Anleger bereitwillig investierten.
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