Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
handelte es sich bei der neuen Gesellschaft um die Fortführung der ursprünglichen Kompanie, deren Mitgliedschaft nun um die ihrer einstigen Konkurrenten und Kritiker erweitert worden war. An ihrer Spitze stand ein in London ansässiger Court of Directors, ein aus 24 Personen bestehendes Führungsgremium, das einmal wöchentlich zusammentrat, dessen Mitglieder jeweils Aktien in der Höhe von mindestens 2000 Pfund besitzen mußten und die aus ihrer Mitte den jährlich wechselnden Vorsitzenden (Governor) wählten. Diese Direktoren gingen aus der Wahl durch die Aktionärsversammlung hervor, in der seit 1657 jeder Besitzer von Aktien im Wert von mindestens 500 Pfund über eine Stimme verfügte. In Indien wurden die Aktivitäten von drei Presidents geleitet, die in Surat/Bombay, Madras und Kalkutta stationiert waren.
Wie im Falle der britischen Kolonien in Amerika bestand auch bei der Expansion und Organisation des Fernhandels mit dem asiatischen Raum die für das Empire typische enge Verflechtung von privaten und staatlichen Elementen. Allerdings wurde der Staat nach der Glorreichen Revolution von 1688 nicht mehr von der Krone, sondern vom Parlament verkörpert, in dessen Unterhaus meist einige Direktoren der Gesellschaft sowie eine Reihe einflußreicher Aktionäre als Abgeordnete vertreten waren. Dies implizierte, daß zwar nicht mehr die oftmals schwankende Gunst des Monarchen oder einflußreicher Höflinge auf ihr Schicksal einwirken konnte, wohl aber der Streit der Parteien. Auch als Gesellschaft privater Aktienbesitzer blieb die East India Company letztlich vom Staat abhängig, denn ihre Charter und damit ihr Monopol war ihr stets nur für einen bestimmten Zeitraum verliehen; danach konnte es zu neu auszuhandelnden Bedingungen bestätigt werden.
Die East India Company war selbstverständlich nicht die einzige Handelsgesellschaft von Bedeutung. Nach wie vor existierten die alten Merchant Adventurers für den Tuchexport nach Europa mit den Schwerpunkten Holland und Hamburg sowie die Levant Company, die bis zu ihrer Auflösung 1754 mit ihrem über das Mittelmeer abgewickelten Orienthandel der Ostindiengesellschaft Konkurrenz zu machen versuchte. Doch auf dem Feld des Überseehandels und damit für das sich formierende Empire spielten vor allem noch die Hudson’s Bay Company sowie jene Gesellschaften eine Rolle, welche den seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sich entwickelnden Sklavenhandel zu kontrollieren suchten. Auf diesem Sektor entstanden eine ganze Reihe von meist kurzlebigen African Companies, die sich zwischen 1588, als die erste von Elisabeth ihr Privileg erhielt, und 1698, als das englische Parlament hier das Monopol aufhob, in rascher Folge ablösten. Bezeichnend hierfür war etwa, daß Karl II. 1663 der Company of the Royal Adventurers Trading into Africa ein tausendjähriges Monopol verlieh, das bereits neun Jahre später einer Royal African Company übertragen wurde, ohne daß es jemals umfassend gegenüber den zahlreichen freien Händlern durchgesetzt werden konnte.
Während der Afrika-Handel eine der Arterien des britischen Handelsimperiums bildete, war die 1670 mit einer entsprechenden Charter ausgestattete Hudson’s Bay Company eher an der Peripherie des Empire tätig, denn sie konzentrierte ihre Aktivitäten auf einen Raum, aus dem sich die Engländer nach dem Scheitern ihrer Suche nach einer Nordwest-Passage weitgehend zurückgezogen hatten. Statt dessen waren die Franzosen im Tal des St. Lorenz-Stromes vorgedrungen und im Begriff, dort einen lukrativen Pelzhandel einzurichten. Erst als zwei französische Pelzhändler bei ihrer Gesellschaft mit dem Vorschlag scheiterten, ihrem Handel einen direkten Zugang zum Meer zu öffnen und sie sich daraufhin an die Engländer wandten, richtete deren neu gegründete Gesellschaft an der Hudson Bay entsprechende Handelsstationen ein. Und obwohl häufig in existenzgefährdende Auseinandersetzungen mit überlegenen französischen Kräften verwickelt, blühte das Geschäft mit den von indianischen Jägern gelieferten Biberfellen, die bei Londoner Hutmachern reißenden Absatz fanden – in Gestalt einer kanadischen Kaufhauskette existiert die Hudson’s Bay Company noch heute.
Wenn im Kontext des Empire die Hudson’s Bay Company keine bedeutsame Rolle spielte, so gilt das zum Ende des 17. Jahrhunderts generell für dergleichen Organisationen: Von insgesamt 93 Aktiengesellschaften im Bereich des Handels bestanden 1698 noch ein knappes Drittel. Die
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