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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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blieb die oberste Maxime der Kolonialverwaltung. Zugleich war man weder willens noch in der Lage, hier etwa nach spanischem Vorbild eine kostenintensive zentralistisch strukturierte Reichsadministration aufzubauen. Dementsprechend formulierte der Ökonom Charles Davenant 1698: «Es kann vernünftigerweise nicht zugelassen werden, daß die Kinder sich auf Kosten des Mutterlandes bereichern, noch daß Britannien sich schwächen sollte, um Amerika zu stärken.»[ 16 ]
    In der Praxis verkörperte somit der für Kolonialamerika gängige Typus der Kronkolonie den Versuch, die halbautonomen, stark dezentralisierten Institutionen kolonialer Selbstverwaltung, wie sie in der Gründungsphase der meisten Kolonien entstanden waren, mit dem für den Zusammenhalt des Empire notwendigen Maß an Kontrolle durch die Zentrale zu verbinden. Dem läßt sich, ungeachtet mancher Besonderheit in einzelnen Kolonien und mancher Phasenverschiebung in der Ausgestaltung der jeweiligen Kolonialverfassung, folgendes Schema zugrunde legen:
    An der Spitze einer jeden Kolonie stand der Gouverneur als Vertreter des britischen Monarchen. In seiner Person waren die gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt vereinigt, und er besaß die oberste Befehlsgewalt zu Lande und zu Wasser. Bis auf wenige Ausnahmen wurde er vom König ernannt, zumeist auf Vorschlag des jeweiligen für die Kolonien zuständigen Ministers. Lediglich die kleinen Kolonien Rhode Island und Connecticut besaßen das Privileg, ihren Gouverneur selbst zu wählen, und die den Familien der Penns oder Calverts zugehörigen Eigentümer der Kolonien Pennsylvania und Maryland genossen das Recht, dem König ihren Vorschlag für die Besetzung dieses Amtes zu unterbreiten. Die Gouverneure waren zumeist Angehörige der britischen Führungsschicht; von insgesamt 321 Gouverneuren gehörten 84 dem hohen oder niederen Adel an, 47 besaßen Universitätsbildung, darunter waren 21 Juristen sowie 11 Mitglieder der königlichen Akademie der Wissenschaften. 45 hatten zudem einen Sitz im Unterhaus innegehabt, viele beim Militär, der Marine oder in der Staatsverwaltung hohe Ämter bekleidet. Allerdings verfügten die wenigsten über entsprechende in Übersee gesammelte Erfahrungen, wenn sie mit einem Schiff der britischen Admiralität in ihrer dreitausend Seemeilen von London entfernten Kolonie eintrafen. In ihrem Gepäck befanden sich dann detaillierte, zumeist geheime Instruktionen des Board of Trade als Richtlinien für ihre künftige Tätigkeit im Dienste des britischen Empire. Dabei stand dem Gouverneur als Haupt der Exekutive kein eigener Apparat zur Verfügung, statt dessen war er auf die Kooperation der kolonialen Eliten angewiesen.
    Die Institution hierfür war die oberste Ratsversammlung einer jeden Kolonie, der sog. Council. In diesem Gremium waren, je nach Kolonie, zwischen zehn und achtundzwanzig Vertreter der einheimischen Führungsschicht versammelt. Die Krone ernannte die Mitglieder auf Vorschlag des Board of Trade auf Lebenszeit. Das Tätigkeitsfeld des Council umfaßte drei Bereiche: für die Exekutive den eines Ratsgremiums des Gouverneurs, für die Legislative den einer zweiten Kammer und für die Rechtsprechung war er oberste Appellationsinstanz. Dabei blieb seine Bedeutung letztlich begrenzt: Er war in der kolonialen Gesetzgebung auf das Veto beschränkt und im Bereich der Exekutive ohne die Möglichkeit für eigenverantwortliche Initiativen. Auch vertrat der Council weder, wie der Gouverneur, den König noch, obwohl in manchen Kolonien wie etwa Virginia oder New York das Gremium mehr oder weniger identisch mit der Oligarchie einflußreicher eingesessener Familien war, die Kolonie als solche, denn dies blieb der sog. Assembly als der eigentlichen Vertreterkörperschaft vorbehalten.
    Trotz aller Bestrebungen der späten Stuart-Zeit, die amerikanischen Kolonien stärker an das Mutterland zu binden und ungeachtet des Umstandes, daß auch nach der Glorreichen Revolution ein möglichst hohes Maß an Einheit und Geschlossenheit des merkantilen Empire die Maxime für die britische Reichspolitik blieb, akzeptierte man gleichwohl die fortdauernde Existenz gewählter Vertretungskörperschaften als zentrale Organe kolonialer Selbstverwaltung. Wie bereits die frühe Geschichte der Kolonie Virginia gezeigt hatte, füllten diese Gremien frühzeitig die Lücke, welche die anfängliche Staatsabstinenz gelassen hatte. Dabei wirkten einheimische englische Vorbilder als Muster: die

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