Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Formulierung oberster Ziele einer Handelspolitik als Reichspolitik und mit der Einrichtung von Zentralbehörden für eine allgemeine Reichsadministration das Englische/Britische Empire deutlicher Gestalt annimmt, so ist damit jedoch noch nichts über die tatsächliche Reichweite der Reichszentrale und die Effizienz der Reichsverwaltung gesagt. Denn die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Behörden waren keineswegs eindeutig geregelt, und zudem wog es besonders schwer, daß die allgemeine Praxis der Ämtervergabe im England des 18. Jahrhunderts, die vor allem dazu diente, sich durch die Gewährung von Pfründen eine politische Gefolgschaft zu sichern, auch vor der Reichsverwaltung nicht halt machte. Dies galt sowohl für das Board of Trade und die Admiralität als auch für die Zollbehörden, wo Stellen zumeist nicht auf Grund bestimmter Qualifikation, sondern vielmehr als Belohnung für bestimmte politische Verdienste oder zur Sicherung bestimmter politischer Verbindungen vergeben wurden.
Auf der anderen Seite konnte es eine bewußtere und zielstrebige Kolonialpolitik der späten Stuarts, d.h. besonders der Regierungen Karls II., als Erfolg verbuchen, daß die ursprüngliche Vielfalt der kolonialen Verfassungen durch den einheitlichen Typ der Kronkolonie abgelöst wurde. Hier hatte bereits 1628 Virginia den Weg gewiesen, als die Trägergesellschaft nach ihrem Bankrott ihre Charter an die Krone zurückgab, die fortan die unmittelbare Verantwortung für die Verwaltung der Kolonie übernahm. Was hier noch eher das Ergebnis bestimmter Umstände war, wurde seit der Einsetzung der Lords of Trade als einer zentralen Reichsbehörde zum Ziel planmäßiger Politik. Bereits kurz nach der Gründung Pennsylvanias ging man daran, sämtliche Eigentümerkolonien in Kronkolonien umzuwandeln. Jakob II. leitete diesen Prozeß ein, als er mit seiner Thronbesteigung 1685 seine persönlichen Eigentumsrechte an der Kolonie New York der Krone übertrug. Im Laufe der nächsten vierzig Jahre wurden auch Maryland, New Jersey sowie die beiden Carolinas zu Kronkolonien – das Leitmotiv einer kolonialen Expansion durch Privatiniative war damit aufgegeben.
Weniger reibungslos gestaltete sich hingegen das Verhältnis zu den Charterkolonien im Nordosten, speziell zu Massachusetts. Wie schon die Gründung dieser puritanischen Niederlassung in Opposition zur Stuart-Monarchie erfolgt war, so verhielt sich die Kolonie in der Folgezeit, speziell in den Jahren der englischen Revolution, gegenüber dem Mutterland nahezu wie ein unabhängiger Staat. Als auch nach 1660 und besonders mit dem Beginn einer mehr systematischen Reichspolitik unter Karl II. Massachusetts hinter der Fassade nomineller Unterwerfung tatsächlich weiterhin seine eigene Politik bis hin zur Mißachtung der Navigation Acts betrieb, mit dem Argument, daß die hiesigen Untertanen Seiner Majestät nicht im Londoner Parlament vertreten seien, ging die Krone in die Offensive. Nachdem sie 1684 vor Gericht eine Aufhebung der Charter der widerspenstigen Kolonie erreicht hatte, machte sich nach dem Thronwechsel des folgenden Jahres Jakob II. daran, hier die Verhältnisse grundsätzlich neu zu ordnen. Der Plan war, Massachusetts gemeinsam mit Rhode Island, New Hampshire, Connecticut, New Jersey und New York in einem Dominion of New England zusammenzufassen, das fortan ohne Mitwirkung repräsentativer Selbstverwaltungsgremien direkt von London aus verwaltet werden sollte. Doch die Glorreiche Revolution in England bereitete dem Versuch, in Amerika ein Kolonialreich nach spanischem Muster einzurichten, ein vorzeitiges Ende.
Für die Beziehungen der Kolonien zu England bedeutete das Ende der Stuart-Monarchie zumindest formal die Wiederherstellung der alten Zustände. Das Dominion of New England wurde aufgelöst, neue Charters verliehen (z.B. Massachusetts), bzw. alte wiederhergestellt. In Pennsylvania und Maryland erhielten die ehemaligen Eigentümer sogar ihre ursprünglichen Rechte zurück. Doch unabhängig von den Wechselfällen der englischen Innenpolitik blieben die Grundzüge der Reichspolitik und damit die Strukturen des Kolonialreiches mehr oder weniger konstant, nicht zuletzt, weil gerade durch die nunmehr gestärkte Position des Parlaments die in diesem vertretenen kommerziellen Interessen verstärkt ihren Einfluß geltend machen konnten. Nach wie vor waren die Beziehungen der nordamerikanischen Besitzungen zur Metropole auf deren Profit hin ausgerichtet. Dies zu gewährleisten,
Weitere Kostenlose Bücher