Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Steuern zahlten. Demgegenüber hatten die Kriegskosten für die englischen Kolonisten insgesamt nur 2,5 Mio. Pfund betragen, von denen ihnen sogar noch 1 Mio. durch das englische Parlament erstattet worden war.
Dieses Ungleichgewicht entsprach allerdings der überlieferten Struktur des merkantilen Empire. In der Praxis endete nämlich während der Jahrzehnte der ‹wohlmeinenden Vernachlässigung› der Aktionsradius der Reichsregierung in den Zollstationen der Häfen der Kolonien, wobei die hier erhobenen Gebühren weniger der Sanierung der Staatsfinanzen als vielmehr der Regulierung des Handels dienten, denn die Zolleinnahmen deckten nicht einmal die Kosten für die Zollverwaltung. Als sich dann mit dem Ende des Krieges die britische Regierung durch die veränderten Verhältnisse gezwungen sah, eine neue Empire-Konzeption mittels einer umfassenden Reichsreform durchzusetzen, beinhaltete dies vor allem auch die direkte Beteiligung der Kolonien an den Kosten des Empire. Zu den veranschlagten 350.000 Pfund für Kolonialverwaltung und Verteidigung sollten die Amerikaner wenigstens 100.000 Pfund beisteuern. Zu diesem Zweck nahm die 1764 vom britischen Parlament verabschiedete Revenue Act (auch Sugar Act genannt, da hauptsächlich der Import von Melasse davon betroffen war) die überlieferte Praxis der Handelsgesetzgebung auf, allerdings diesmal mit dem erklärten Ziel, die Einkünfte «zur Begleichung der notwendigen Kosten für die Verteidigung, den Schutz und die Sicherung der britischen Kolonien und Pflanzungen in Amerika» zu verwenden.[ 21 ] Neu war dabei vor allem, daß die hier auf verschiedene Importwaren und keineswegs nur auf Melasse erhobenen Zölle nun konsequent eingetrieben werden sollten und daß im Gesetzestext das Londoner Parlament ausdrücklich betonte, es besitze das Recht, den Kolonien finanzielle Belastungen aufzubürden. Als schon bald deutlich wurde, daß die erhofften Einnahmen nicht erzielt werden konnten, ging die Regierung in London im folgenden Jahr einen Schritt weiter und erließ mit dem Stempelsteuergesetz (Stamp Act) ein erstes echtes Steuergesetz für die Kolonien. Wie schon in England üblich sollten fortan juristische Dokumente sowie Druckerzeugnisse aller Art auch in den amerikanischen Kolonien mit einer Steuer belegt werden, von der man sich insgesamt 60.000 Pfund jährliche Einkünfte erhoffte. Neu war schließlich, daß über Zuwiderhandlungen gegen beide Gesetze die Gerichte der britischen Admiralität entscheiden sollten und nicht mehr einheimische Geschworenengerichte, die nur selten bereit waren, Vergehen ihrer Landsleute gegen englische Gesetze konsequent zu ahnden.
Die Reaktionen auf beide Gesetze, vor allem aber auf die Stamp Act, waren ungewöhnlich heftig und überraschten die britische Regierung besonders deswegen, weil der Widerstand nicht auf die ohnehin immer wieder zur Opposition neigenden Neu-England-Kolonien beschränkt blieb, sondern sämtliche englische Siedlungen erfaßte. Man begnügte sich diesmal nicht mit den üblichen Protestkundgebungen loyaler Untertanen wie etwa Petitionen der Volksvertretungen, sondern vielerorts wurden die Sturmglocken geläutet, Flaggen auf Halbmast gesetzt, und in den Zeitungen beklagten Traueranzeigen den Tod der Freiheit. Vereinzelt kam es zu tumultartigen Ausschreitungen wie in Massachusetts, wo eine aufgebrachte Menge das Haus des Gouverneurs plünderte. Vor allem wurden Boykottmaßnahmen gegen besteuerte Importwaren propagiert und wirksam organisiert. Selbst die Studenten der Universität Yale beschlossen, fortan auf ausländische Weine und Spirituosen zu verzichten und sich statt dessen mit einem Glas Bier zu begnügen, und in Rhode Island schworen die jungen Damen zweier Ortschaften, keinen Jüngling zu erhören, der etwa für die Stamp Act eintrete.
Dabei war die landesweite Empörung keineswegs der verzweifelte Aufschrei eines über die Maßen besteuerten Volkes. Ökonomische Motive spielten allenfalls eine untergeordnete Rolle. Es ist zwar wiederholt darauf hingewiesen worden, daß sich mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges auch in den Kolonien kurzfristig eine typische Nachkriegsdepression abzuzeichnen begann, die allerdings in Relation zu dem nachhaltigen und weitgehend kontinuierlichen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung der Kolonien seit Beginn des 18. Jahrhunderts zu setzen ist. Zwar legte die Verfassung des merkantilen Empires dem Handel der Kolonien Beschränkungen auf, und deren gewerbliche Produktion
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