Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
hatte im Interesse englischer Produzenten unter Restriktionen zu leiden, aber angesichts der großen Unterschiede in der ökonomischen Struktur der einzelnen Kolonien beeinflußte dies das Verhältnis zwischen dem Mutterland und seinen amerikanischen Besitzungen allenfalls punktuell. Gravierender wirkte sich hingegen eine zunehmende generelle Verschuldung der Amerikaner gegenüber ihren britischen Handelspartnern aus. Der damit verbundene Abfluß von Edelmetall führte zu wachsender Geldknappheit in den Kolonien, und als diese dazu übergingen, durch die Ausgabe von Papiergeld weiterhin binnenkoloniale Zahlungs- und Kreditgeschäfte zu ermöglichen, versuchte das englische Parlament dies durch entsprechende Gesetze, wie die Currency Acts von 1751 und 1764, zu unterbinden – zum Nachteil des ökonomischen Wachstums, das fortan durch spürbaren Kapitalmangel gebremst wurde. Dennoch überwogen für die Mehrheit der Amerikaner nach wie vor die Vorteile, die sich auch für sie aus einem merkantilen Empire ergaben und dessen Wirtschafts- und Handelsgesetzgebung lediglich dann Kritik hervorrief, wenn sie als Eingriff in die inneren Angelegenheiten der Kolonien erschien.
Zudem ist unbestreitbar, daß bereits im 18. Jahrhundert der allgemeine Wohlstand der Nordamerikaner von keinem Volk der Welt übertroffen wurde. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen entsprach dem der Engländer, war aber gleichmäßiger verteilt, so daß der generelle Lebensstandard höher war. Vor allem zahlten die Siedler in den Kolonien kaum nennenswerte Steuern. Während in Großbritannien im Jahre 1763 die jährliche Steuerlast pro Kopf im Durchschnitt 26 Schilling betrug, waren es für Bürger von Massachusetts, Pennsylvania und Maryland jeweils 1 Schilling und für die Einwohner von New York, Connecticut oder Virginia mit 5 bis 7 Pence sogar nur die Hälfte. Auch wenn die subjektive Einschätzung der jeweiligen persönlichen wirtschaftlichen Situation keineswegs immer den objektiven Tatbeständen entspricht, so gilt dennoch, daß «aus ökonomischer Sicht … die koloniale Empörung … nicht gerechtfertigt» war.[ 22 ] Und auch sonst sah sich die weiße Bevölkerung der nordamerikanischen Kolonien im Vergleich zu den Untertanen der europäischen Staaten des 18. Jahrhunderts am geringsten durch staatliche Kontrollen oder gar politische Repressionen behelligt.
Statt dessen ging es bei dem sich nun aus Anlaß der britischen Bemühungen um eine Reichsreform anbahnenden Konflikt weniger ums Geld als vielmehr ums Prinzip. Und zwar für beide Seiten. Denn auch wenn die britische Regierung immer wieder die Notwendigkeit eines angemessenen kolonialen Beitrags zur Finanzierung des militärischen Schutzes für die amerikanischen Niederlassungen betonte, legte sie zugleich stets Wert darauf, die uneingeschränkte Oberhoheit der englischen Legislative über die Kolonien zu betonen. Dieses Bestreben war der rote Faden, der sich durch das legislatorische Hin und Her, durch die Wechselfälle von Verkündung und Widerruf einzelner Gesetze zog, die das Geschehen zwischen 1763 und dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts 1774 kennzeichnen. Denn als unter dem Eindruck der wirksamen Boykotte der Amerikaner ein neues britisches Ministerium unter der Leitung des Marquis von Rockingham 1766 das Stempelsteuergesetz zurücknahm, betonte das Londoner Parlament gleichzeitig in einer Declaratory Act ausdrücklich sein unverbrüchliches Recht, «in all cases whatsoever» Gesetze für die Kolonien zu erlassen. Das gleiche Spiel wiederholte sich, als nach dem Sturz des Ministeriums Rockingham der neue Schatzkanzler Charles Townshend 1767 die Politik der entschiedenen Reichsreform wieder aufnahm und u.a. in einer neuen Revenue Act neue Importzölle für die Kolonien verhängte, die nach heftigen Protestdemonstrationen 1770 ebenfalls widerrufen wurden, wobei auch hier, um das Gesicht zu wahren, allein der Teezoll bestehen blieb. Der Wille der englischen Regierung, Konsequenz zumindest zu demonstrieren, entsprach der wachsenden Überzeugung von der zentralen Bedeutung der amerikanischen Besitzungen für den Fortbestand des merkantilen Empire. Deshalb galt es, die Verwaltung des Reiches so zu organisieren, daß die legislative und exekutive Gewalt der Zentrale nicht länger durch koloniale Privilegien und Autonomiebestrebungen eingeschränkt oder gar blockiert werden konnte.
Mehr noch als den Engländern ging es den Kolonisten vorrangig ums Prinzip, wie eine vehement geführte
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