Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
den Großen zu bewilligen – eine Summe in der Höhe des gesamten preußischen Steueraufkommens. In diesem Zusammenhang erwies sich die moderne Organisationsform der öffentlichen Finanzen Englands als weiteres Moment der Überlegenheit gegenüber Frankreich. Dadurch, daß hier das Parlament als Vertretung der Nation die Staatsschuld garantierte, konnten die Gewinne aus der expandierenden Wirtschaft des Empire als ebenso profitable wie sichere öffentliche Anleihen in dem Kampf ums Empire eingesetzt werden.
Im Gegensatz dazu war Frankreich nicht in der Lage, seine Ressourcen ebenso effektiv für seine militärischen Ziele einzusetzen, und da es auch auf den europäischen Schlachtfeldern mit einem schlagkräftigen Heer aktiv sein mußte, konnte Großbritannien abermals auf seine Überlegenheit zur See setzen. Im Frühjahr des für den Seekrieg entscheidenden Jahres 1759 verfügte es über 113 Linienschiffe, und dreißig weitere befanden sich im Bau. Frankreich dagegen besaß nur halb soviele, und das Mißverhältnis wuchs von Monat zu Monat. Wegen dieses maritimen Ungleichgewichts konnten die Franzosen weder ihre geplante Invasion der Insel in die Tat umsetzen, noch erhielten ihre Streitkräfte in Kanada und in Westindien den lebensnotwendigen Nachschub aus dem Mutterland. Denn die Engländer blockierten mit Erfolg das Hauptkontingent der gegnerischen Flotte im Hafen von Brest, und als die Franzosen schließlich die Blockade zu brechen versuchten, stellten die Briten sie trotz eines schweren Novembersturms in der Bucht von Quiberon und schlugen sie vernichtend.
Der Friede von Paris markierte den Höhepunkt des älteren Britischen Empire, das sich hier als Weltmacht präsentierte, deren Position als Kolonialmacht nun unangefochten war. Es hatte im Verlauf des Sie benjährigen Krieges seine Vorrangstellung in Übersee nicht nur gegen französische Konkurrenz behauptet, sondern durch seine Siege weiträumig ausgebaut. Erstmals war das Empire nicht vornehmlich durch die Eigendynamik der ihm innewohnenden ökonomischen und sozialen Kräfte expandiert, sondern durch eine Politik der gezielten militärischen Eroberung; mit dem Ergebnis, daß es von nun an mehr war als die von Händlern und Siedlern getragene «Expansion of England», als die John Robert Seeley, der erste große Historiker des Empire, es im späten 19. Jahrhundert bezeichnete. Fortan besaß dieses Empire eine neue politische Qualität, war es endgültig ein ‹Reich› in dem Sinne, daß es nicht nur weltweiten Handel sicherte, sondern auch Herrschaft über ferne Länder und Völker einschloß, seien es französische Siedler in Kanada oder die Eingeborenen weiter Landstriche des indischen Subkontinents.
Spätestens zur Mitte des 18. Jahrhunderts verschmolzen für die Briten Kolonien, Handel und Seemacht im Begriff des Empire zu einer Einheit. Zuvor war zwar durch sporadische Appelle bestimmter Interessengruppen auf den Wert von Handel und Kolonien verwiesen worden, aber erst jetzt nahm die überseeische Welt im allgemeinen und das Kolonialreich im besonderen einen festen Platz im Weltbild der Briten ein. In den Romanen Daniel Defoes kultiviert Robinson Crusoe seine einsame Insel in der Karibik, und die Heldin seines Romans ‹Moll Flanders› (1722) wird nach Virginia deportiert und macht dort ihr Glück. Die wachsende Zahl der Reisebeschreibungen und ethnologischen und naturgeschichtlichen Darstellungen entsprach einer zunehmenden Nachfrage. Unmittelbar nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges setzte mit der systematischen Erforschung vor allem des Pazifischen Raumes das zweite Zeitalter der Entdeckungen ein. Deren Ausbeute, sofern es sich dabei um Objekte aus fernen Ländern als Zeugnisse fremder Kulturen handelte, wurde in Museen und privaten Sammlungen zur Schau gestellt und befriedigte ein wachsendes allgemeines Interesse ebenso wie die Werke jener Maler, welche die exotische Szenerie ferner Gestade zum Gegenstand hatten.
Aber vor allem durch die großen Kriege der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die England zur Sicherung und zur Expansion des Empire führte, wurde sich die Nation der Existenz und Bedeutung dieses überseeischen Reiches bewußt. Es waren dies die Jahre, in denen sich ein neues, nicht bloß englisches, sondern britisches Nationalgefühl ausbildete, das seine Substanz auch aus den großen Siegen der Zeit bezog und die William Pitt geschickt zur Rechtfertigung seiner Politik propagan distisch auszunutzen verstand. Der Stolz
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