Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Bezeichnend für diese Situation war die sogenannte ‹Boston Tea Party› – gemeinhin als das Ereignis betrachtet, das endgültig die von nun an unaufhaltsame Eskalation zur Revolution auslöste; als der Funke, der das Pulverfaß zur Explosion brachte.
Im Jahr 1773, als die britische Regierung die meisten Sonderzölle schon längst wieder zurückgenommen hatte und das Verhältnis zwischen Mutterland und den Kolonien offensichtlich wieder einmal entspannt schien, verabschiedete das englische Parlament die Tea Act. Das Gesetz sollte in erster Linie dazu beitragen, die East India Company zu sanieren, die sich derzeit einem Lagerbestand von Tee im Wert von 17 Mio. Pfund gegenübersah, denn Tee wurde in Amerika boykottiert, bzw. durch geschmuggelte Ware ersetzt. Nun wurden der Gesellschaft alle Zölle erlassen und ihr zugleich das Exportmonopol für Tee nach Nordamerika übertragen. Um aber das Prinzip der Besteuerung zu wahren, blieb der alte Townshed-Zoll von drei Pence für das Pfund bestehen. Im Ergebnis war der indische Tee nun billiger als die von amerikanischen Händlern angebotene Schmuggelware. Gegen dieses Gesetz riefen prinzipientreue Wortführer des kolonialen Widerstands und einheimische Kaufleute, die bislang ihren Tee aus den Niederlanden bezogen hatten, abermals zum Widerstand auf. Diesmal begnügte man sich nicht mit einem Konsumentenboykott, man beschloß vielmehr, den englischen Tee gar nicht ins Land kommmen zu lassen. So kam es am 16. Dezember 1773 zur berühmten ‹Boston Tea Party›. Als Indianer verkleidete Bürger Bostons enterten ein mit Tee beladenes Schiff und warfen die gesamte Ladung ins Meer. Die Resonanz war bezeichnend: Während die Akteure in den Kolonien als ‹Glorreiche Söhne der Freiheit› gefeiert wurden, verurteilte der Gouverneur von Massachusetts, Thomas Hutchinson, deren Tun als frevlerische Gewalt. Die Regierung in London sah sich damit endgültig zu einer grundsätzlichen Machtprobe herausgefordert und reagierte mit rigorosen Maßnahmen, die u.a. die Selbstverwaltungsorgane der aufsässigen Kolonie in ihren Rechten und Befugnissen empfindlich einschränkten. Der Versuch, Massachusetts zu isolieren und hiermit ein Exempel zu statuieren, scheiterte allerdings. Da er als erneutes Indiz für Englands Absicht galt, die Amerikaner zu künftig rechtlosen Untertanen zu degradieren, wirkte er statt dessen als Auslöser für eine allgemeine Solidarisierung unter den Kolonien. Wie bereits aus Anlaß der Stamp Act, trat im September abermals eine Delegiertenversammlung zusammen, die mit Vertretern aus zwölf Kolonien als Erster Kontinentalkongreß vom 5. September bis zum 26. Oktober 1774 in Philadelphia tagte und ein allgemeines Handelsembargo gegen England verhängte. Doch da London es diesmal auf eine Kraftprobe ankommen ließ, kam es im April des folgenden Jahres zu einem ersten Scharmützel zwischen englischen Truppen und der Miliz von Massachusetts. Daraufhin ernannte ein zweiter Kontinentalkongreß den militärisch erfahrenen George Washington aus Virginia zum Oberbefehlshaber der vereinigten kolonialen Truppen, und nach weiteren militärischen Zusammenstößen bezeichnete eine Proklamation König Georgs III. am 23. August 1775 die Amerikaner in aller Form als Rebellen. Dennoch sollte es noch ein ganzes Jahr dauern, bis die Kolonien sich mit ihrer Unabhängigkeitserklärung endgültig von England lossagten; bis dahin war für die meisten Kolonisten mental noch ein langer Weg zurückzulegen.
Obwohl die Kolonien schon frühzeitig gegen das britische Projekt einer Reichsreform opponierten und ihr Widerstand sich zunehmend radikalisierte, stellten sie ihre Mitgliedschaft im Empire zunächst nicht in Frage. Noch am 14. Oktober 1774 verabschiedete der erste Kontinentalkongreß eine acht Punkte umfassende Declaration of Right, die letztendlich der Aufforderung gleichkam, man möge auf den status quo ante 1763 zurückkehren, als in der Periode der ‹wohlmeinenden Vernachlässigung› weitgehende Selbständigkeit der Kolonien und deren gesicherte Position im Reichsverband sehr wohl vereinbar waren. Daneben antworteten in der breit geführten Debatte dieser Jahre gemäßigte Wortführer der Kolonien auf die britische Politik der Reichsreform mit eigenen Reformvorschlägen. So schlug z.B. Joseph Galloway, der Delegierte Pennsylvanias, auf dem Kontinentalkongreß vor, eine von allen Kolonien gewählte Körperschaft als neues Organ zwischen den Abgeordnetenkammern der
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