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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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breite publizistische Debatte deutlich machte. Wenn in deren Verlauf immer wieder die Parole «No taxation without representation» verkündet wurde, wandte man sich damit nicht grundsätzlich gegen eine Besteuerung durch das britische Parlament, sondern wollte lediglich betonen, daß England seinen Kolonien das Recht auf politische Mitbestimmung zu Unrecht vorenthielt. Dessen nachdrückliche Forderung war sowohl der Ausdruck eines mittlerweile gefestigten Selbstbewußtseins der Kolonien als auch das Ergebnis einer Rückbesinnung auf überlieferte politische Traditionen, die in England in der Ära der Revolutionen den Aufstieg des Parlaments getragen hatten. Als Untertanen der englischen Krone sahen sich die Amerikaner im uneingeschränkten Besitz der Geburts- und Freiheitsrechte der Engländer. Sie erhoben damit den Anspruch, als außerhalb Englands lebende ‹British subjects› nicht nur die Pflicht zum Gehorsam gegenüber der britischen Krone sowie den Anspruch auf deren Schutz, sondern als ‹Britons› auch die ‹rights of Englishmen› zu besitzen. So erklärte Benjamin Franklin 1766 vor dem britischen Unterhaus, es stünden den Amerikanern nach ihrer Auffassung «alle Privilegien und Freiheiten eines Engländers zu. In den großen Freiheitsurkunden, der Petition der Rechte (1628) und der Deklaration der Rechte (1689) lesen sie, daß es eines der Privilegien englischer Untertanen ist, nicht besteuert zu werden, es sei denn mit ihrem Einverständnis». Und bereits auf die Sugar Act von 1764 hatte das Repräsentantenhaus der Kolonie Virginia mit einer Petition geantwortet, in der es hieß, daß «das Volk nur mit solchen Steuern belastet werden kann, die durch seine eigene Zustimmung oder die Zustimmung derer auferlegt werden, die auf rechtliche Weise bestimmt wurden, es zu vertreten».[ 23 ] In diesem Zusammenhang mußte dann allerdings bei den Amerikanern die zeitgenössische englische Interpretation des Repräsentationsprinzips auf Unverständnis stoßen, derzufolge die freien englischen Abgeordneten nicht durch Rückbindungen an ihre Wähler gebunden seien, sondern stets das ganze Volk repräsentierten und somit auch die Kolonien ‹virtuell› im Londoner Unterhaus vertreten seien. In ihrem Bemühen, keineswegs als Untertanen zweiter Klasse behandelt, sondern als gleichberechtigte britische Bürger anerkannt zu werden, beriefen sich einige amerikanische Autoren sogar auf das naturrechtliche Dogma von der ursprünglichen Freiheit und Gleichheit aller Menschen. So verkündete der Publizist James Otis in seiner 1764 in Boston erschienenen Schrift The Rights of the British Colonies asserted and proved: «Da die Kolonisten Menschen sind, dürfen sie für sich ebenso wie die Europäer alle natürlichen Rechte in Anspruch nehmen.»[ 24 ]
    Mit dem Problem der politischen Repräsentation der Kolonien stellte sich schon bald die Frage nach dem Wesen und der Ortsbestimmung der Souveränität im Empire. In England selbst hatte durch die Glorreiche Revolution von 1688/89 eine Machtverlagerung zugunsten des Parlaments stattgefunden. Der Souverän wurde nun entsprechend den Bedingungen einer parlamentarischen Monarchie als «King in Parliament» definiert. Die Kolonien konnten sich demgegenüber darauf berufen, daß ihre Gründungsurkunden allesamt ihren Ursprung in der alleinigen Souveränität der Krone besaßen, die ihnen das Recht gewährt hatte, durch eigene Versammlungen ihre eigenen Gesetze zu beschließen, solange diese nicht dem englischen Recht zuwiderliefen. Und daher bestritten sie dem englischen Parlament zwar nicht das Recht, den Handel im merkantilen Empire zu regulieren, sehr wohl aber wandten sie sich gegen dessen Bestrebungen, durch seine Gesetze in die inneren Angelegenheiten der Kolonien einzugreifen. Von daher werteten sie jede Form der Besteuerung, jeden Versuch, die Verwaltung und insbesondere die Justiz in den Kolonien stärker von London aus zu kontrollieren, als Indiz für eine Politik der ‹Tyrannei›, mit dem Ziel der endgültigen ‹Versklavung› der bislang ‹freigeborenen Söhne Amerikas›; dies übrigens ein Begriff, der im amerikanischen Diskurs ein besonderes Gewicht besaß, wenn er auf die soziale Realität in den südlichen Kolonien bezogen wurde. Gerade weil die Auseinandersetzung bereits von Anfang an um Prinzipien geführt wurde, eskalierte sie zum Grundsatzkonflikt: Die eine Seite argumentierte mit dem Generalverdacht des Despotismus, die andere mit dem der Rebellion.

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