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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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färbte, eine Muslimin heiratete und in seinem Auftreten den Regeln der Etikette muslimischer Edelleute folgte.
    Solcher ‹Orientalismus› – d.h. die grundsätzliche Offenheit für die indigene Kultur und die Akzeptanz ihrer Normen im Umgang mit den Beherrschten – geriet nach der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zunehmend in die Kritik der englischen evangelischen Erneuerungsbewegung. In einer Zeit, in der die englischen Christen den heidnischen Bruder entdeckten, den es zu schützen und zu erretten galt, in den Jahrzehnten des Feldzuges gegen die Sklaverei und der Gründung zahlreicher Missionsgesellschaften, wurden in der britischen Öffentlichkeit zunehmend Stimmen laut, die auch die Kolonialherrschaft in Indien in den Dienst des generellen Missionsauftrages zu stellen forderten. Für einige Zeit gelang es den Direktoren der East India Company, derartige Ansinnen zu ignorieren und weiterhin in der Verwaltung den erprobten Pragmatismus zu pflegen. Doch mit dem Verlust des Handelsmonopols im Jahre 1813 erlahmte allmählich der Widerstand gegen eine immer heftigere öffentliche Kritik. In dieser verband sich anglikanischer Missionseifer mit der vorherrschenden philosophischen Lehre der Utilitaristen, die die universale Gültigkeit der von ihnen entdeckten Regeln für die Realisierung des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Zahl verkündeten. Der Wortführer dieser Schule, James Mill, bekleidete für mehrere Jahre ein hohes Amt im India Office, sein Sohn, John Stuart Mill, stand 35 Jahre in Diensten der East India Company und der liberale Politiker, Publizist und Historiker Thomas Macaulay, einer der einflußreichsten Anwälte liberaler Reformpolitik und überzeugter Vertreter der Doktrin von den singulären Vorzügen angelsächsischer politischer Kultur, wirkte von 1834 bis 1838 als Mitglied des Rates des britischen Generalgouverneurs in Kalkutta. Und während entschiedene Liberale zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem britischen Kolonialreich und insbesondere dessen weiterer Expansion durchaus kritisch gegenüberstanden, rechtfertigten zur gleichen Zeit Autoren wie Macaulay und Mill die britische Herrschaft in Indien als klassische treuhänderische Aufgabe im Sinne eines allgemeinen globalen Erziehungsauftrags für die christlich-angelsächsische Zivilisation.
    Was ‹Orientalisten› wie Hastings noch als Erscheinungsformen einer eigenständigen fremden Kultur akzeptiert und studiert hatten, waren für die Verfechter anglisierender Reformen bestenfalls Relikte eines finsteren indischen Mittelalters. So konstatierte Macaulay lapidar, daß ein einziger Regalmeter einer guten europäischen Bibliothek die gesamte Literatur Indiens und Arabiens aufwiege. Und die Notwendigkeit des allgemeinen Missionsauftrages leuchtete vielen ein, wenn etwa, wie 1829 in England, ausführlich die Praxis der Witwenverbrennung (sati), von der die britischen Behörden jährlich ca. 500 Fälle registriert hatten, als besonders abstoßendes Beispiel einer barbarischen Kultur diskutiert wurde und man mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, General Charles Napier habe, als man ihm gegenüber dies als traditionelle Sitte zu rechtfertigen suchte, geantwortet: «In meinem Land befolgen wir auch eine Sitte: Wenn Männer Frauen bei lebendigem Leibe verbrennen, hängen wir sie. Laßt uns also alle gemäß unseren nationalen Gebräuchen handeln.»
    Als einer der ersten hatte William Bentick als Gouverneur von Madras (1803–1807) und später als Generalgouverneur (1828–1835) eine Politik der ‹Zivilisierung› und Christianisierung in die Praxis umzusetzen gesucht, u.a. durch sein Verbot des sati sowie durch sein Vorgehen gegen die oftmals praktizierte Tötung unerwünschter weiblicher Nachkommenschaft. Außerdem hatte er verfügt, das Persische als Amtssprache fortan durch das Englische abzulösen. Doch erst mit dem Jahrzehnt der Amtszeit Lord Dalhousies (1846–1856) setzte eine kontinuierliche Anglisierung Britisch-Indiens ein. Besonders nachhaltige Auswirkungen besaß die zunehmende Praxis der kolonialen Justiz, sich in ihren Urteilen von den Prinzipien des englischen Rechts leiten zu lassen. Im Gegensatz zum Common Law kannten z.B. die überlieferten Gesetze der Hindus keine eindeutige, die Rechte anderer ausschließende Definition des persönlichen Eigentums, und das englische Recht stärkte grundsätzlich die Position des Gläubigers, während einheimische Rechtspraxis dem Schuldner stärkeren Schutz

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