Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
Vom Netzwerk:
gewährte. Diese Unterschiede waren besonders in dem für die Briten essentiellen Bereich der Steuerfestsetzung und Steuereintreibung relevant. Hier führte die Anwendung englischer Rechtsprinzipien schließlich dazu, daß zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als die Hälfte aller indischen Kleinbauern z.T. hoch verschuldet waren.
    Nahm man das von Macaulay u.a. vertretene Konzept einer treuhänderischen Verwaltung Indiens ernst, mit deren Hilfe das Land schließlich auf das Niveau englisch-christlicher Zivilisation gehoben werden sollte, bedeutete dies ein umfängliches Erziehungsprogramm mit dem Fernziel der Entlassung Indiens in die Selbständigkeit und damit des Endes britischer Herrschaft. Dementsprechend verstand auch Macaulay das von ihm konzipierte indische Erziehungssystem als «our highroad back to Europe». Allerdings werde es lange Zeit in Anspruch nehmen, bis genügend Inder durch das Studium der englischen Sprache und der antiken Klassiker, das Macaulay in seinem Curriculum vorsah, zu englischen Gentlemen mutiert wären. Vorerst gelte es vor allem, genügend fähige einheimische Hilfskräfte heranzuziehen, um die große Aufgabe der Treuhandschaft zu bewältigen: «Zunächst müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um eine neue Klasse zu schaffen, die zwischen uns und den Millionen, die wir regieren, die Rolle des Vermittlers übernehmen kann; eine Gruppe von Personen, dem Blut und der Farbe nach indisch, aber englisch in ihrer Lebensführung, ihrer Bildung und ihren Wertvorstellungen.»[ 13 ] Zu diesem Zweck existierten 1838 bereits 40 englische Schulen, und dieser Maxime folgend gründete Dalhousie 1857 Universitäten in Kalkutta, Madras und Bombay.
    Die Reaktion der Inder auf die veränderten Zielsetzungen und die neuen Formen der britischen Politik und Verwaltung war zwiespältig. Eine Minderheit nahm das Angebot auf Erziehung und Kooperation bereitwillig an. Im Gegensatz zu der alten muslimischen Führungsschicht waren es besonders Hindus der oberen Kasten, die hier ihre Chance erblickten, nun als neue Elite an der Macht teilzuhaben oder zumindest von ihr zu profitieren. Doch die Mehrheit – und das heißt nicht nur die alte muslimische Führungsschicht des Mogulreiches – reagierte zunächst auf die seit den 40er Jahren einsetzende Politik einer forcierten Modernisierung mit einem demonstrativen Rückzug auf die Positionen eines rigiden Konservatismus. Dies werteten die britischen Reformer wiederum als Zeichen einer erstarrten Kultur, deren Traditionen es nun erst recht aufzubrechen galt. Wenn jetzt alte Tempelanlagen zerstört wurden, um neuen Straßen oder Eisenbahnen Platz zu machen, dann sollte damit zugleich eindrucksvoll demonstriert werden, daß sich zivilisatorischer Fortschritt nur im Verbund mit der Überwindung der Relikte finsteren Heidentums realisieren ließ. Hier bahnte sich ein Grundsatzkonflikt an, der sich schließlich in dem großen indischen Aufstand des Jahres 1857 entlud.
    Wenn Zeitgenossen wie auch später britische Historiker von der ‹Indian Mutiny› sprachen, so verkürzt dieses Etikett die tatsächliche Dimension des Ereignisses, das zugleich die Krise und den Wendepunkt englischer Herrschaft in Indien markierte. Allerdings bildete eine Meuterei indischer Soldaten den Ausgangspunkt. Den Anlaß hatte die Einführung neuer Gewehrpatronen geliefert, deren mit tierischem Fett geschmierte Papierhülsen der Soldat vor dem Laden abzubeißen hatte. Sowohl für Hindus, die das Rind als heiliges Tier verehren, wie auch für Moslems, denen das unreine Schweinefleisch verboten ist, bedeutete dies eine Verletzung ihres religiösen Reinheitsgebots, und es kursierten unter den Soldaten Gerüchte, die Briten beabsichtigten mit dieser Maßnahme bewußt die Einleitung einer zwangsweisen Bekehrung ihrer sepoys zum Christentum. Hinzu kam, daß im Jahr zuvor wieder einmal Pläne für einen Seetransport von Teilen der Indischen Armee nach Burma bekannt geworden waren. Auch dies mußte bedrohlich erscheinen, da Hindus automatisch ihren Kastenstatus einbüßen, sobald sie eine Seereise antreten. Als am 9. Mai 1857 in der Garnison von Meerut unweit Delhis einige Soldaten, die bei Schießübungen den Befehl verweigert hatten, degradiert und zu Gefängnis verurteilt wurden, meuterten tags darauf drei Regimenter, töteten ihre britischen Vorgesetzten, marschierten nach Delhi, brachten sämtliche Europäer, derer sie habhaft werden konnten, um und riefen den dort ansässigen greisen Badahur

Weitere Kostenlose Bücher