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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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Bedrohung der indischen Nordgrenze über Gebühr strapaziert wurde. Daneben lieferte britische Einmischung in innerindische Angelegenheiten stets willkommene Argumente für weitere Annexionen. So verstand es Gouverneur Dalhousie meisterhaft, in die Rolle des Mogulherrschers zu schlüpfen, wenn es z.B. darum ging, Thronfolgestreitigkeiten in angrenzenden Fürstentümern im Sinne der Expansion britischer Herrschaft zu regeln.
    Der Entwicklung der East India Company zum indischen Territorialstaat, dem schon bald eine unbestrittene Vormachtstellung auf dem indischen Subkontinent zufiel, entsprach es, wenn zugleich die ursprünglichen kommerziellen Privilegien ihre Bedeutung einbüßten. 1813 verlor die Gesellschaft ihr Monopol für Einfuhren aus Indien, die ohnehin kontinuierlich zurückgingen, und seit 1833 galt gleiches für den Handel mit China. Die Handelsgesellschaft, die im 17. Jahrhundert für England den Zugang nach Indien geöffnet hatte, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Instrument für die Verwaltung eines riesigen neuen britischen Kolonialreiches geworden.
    Die Eroberung wie auch die Verwaltung dieses Kolonialreiches beruhten auf zwei wesentlichen Voraussetzungen: der militärischen Überlegenheit der Briten sowie der Bereitschaft indigener Kräfte, darunter Teile der indischen Eliten, sich mit der neuen Macht zu verbünden bzw. in deren Dienst zu treten. Ohne die Mitwirkung von Indern hätte Indien weder erobert noch für nahezu zwei Jahrhunderte effektiv verwaltet und zugleich ausgebeutet werden können. Die allgemeine Vorbedingung dafür hatte der Zerfall des Mogulreiches geliefert, der allerdings kein Machtvakuum, sondern eine Reihe von wohlorganisierten Nachfolgestaaten hinterlassen hatte, deren vielfältige Rivalitäten die Briten geschickt zu nutzen verstanden, um so im Bunde mit dem einen Fürsten sich den anderen zu unterwerfen. Auch konnten sie bei dem Ausbau ihrer Kolonialherrschaft in der Regel auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Dies galt in erster Linie für die Praxis der Steuererhebung, die zur Haupteinnahmequelle der Kompanie wurde. Hier knüpfte man an die regional unterschiedlichen Systeme der Steuereintreibung an. Wenn die Briten dabei, wie zuvor die Mogulherrscher, ca. 1/3 der Einkünfte aus Landbesitz als Abgabe forderten, so unterschieden sie sich allerdings von ihren indischen Vorgängern dadurch, daß sie diese Steuern konsequent und in voller Höhe einzutreiben suchten. Nicht nur in der Armee der Kompanie, in der sie das Gros der Soldaten bildeten, sondern auch als Steuereinnehmer, Verwaltungsbeamte, Bankiers und Kaufleute, wirkten von Anfang an Inder an der Errichtung britischer Herrschaft in Indien mit, keineswegs als willenlose Instrumente, sondern aus eigenem Interesse und zum eigenen Profit.
    Es wäre unzutreffend, solche Formen der Kooperation als Kollaboration im Sinne von Verrat der nationalen indischen Interessen zu bezeichnen. Denn das Völkergemisch des Subkontinents kannte noch keine indische Nation, hatte aber sehr wohl wiederholt den Einbruch von Fremdherrschaft erfahren, zuletzt in Gestalt des islamischen Mogulreiches. Und als die Briten an dessen Stelle traten und zunächst weitgehend dessen Institutionen übernahmen und ihre neue Herrschaft noch in alte Formen kleideten, «den Regeln Mohammeds und dem Gesetz des Reiches entsprechend», wie es im Dekret des Mogulherrschers Shah Alam des Jahres 1764 hieß,[ 11 ] mit dem Clive die diwani übertragen wurde, da ließ sich noch nicht absehen, daß damit der Beginn einer qualitativ neuen Kolonialherrschaft eingesetzt hatte. Lediglich in Kreisen der ehemaligen islamischen Führungsschicht des Mogulreiches wurden vereinzelt entsprechende Befürchtungen geäußert, während andererseits sich Angehörige der Hindu-Elite frühzeitig bereitwillig in den Dienst der neuen Herren stellten.
    Dabei traten sie in den Dienst eines politischen Systems, das, im Gegensatz zu den amerikanischen Siedlungskolonien des älteren Empire, keinerlei Formen von Selbstverwaltung oder Mitbestimmung Raum gewährte. In Indien, dem Zentrum des jüngeren Empire, herrschte Großbritannien über fremde Völker nach dem Muster der orientalischen Despotie, an deren Stelle man getreten war. Auch insofern war Großbritannien hier ‹eine asiatische Macht›. Der Staat, der in Europa als Hort der politischen Freiheit galt, regierte in Asien nach dem Muster des monarchischen Absolutismus. Obwohl nominell die oberste Gewalt bei der britischen Krone

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