Das Bronze-Bataillon
den bemitleidenswerten, zerfetzten Leichnam, dann sog sie scharf die Luft ein und schaute sich um.
»Treppe«, rief sie laut. »Untergeschoss klar.«
Sie trat zurück auf den Gang, wischte sich ein paar Blutstropfen von einer kleinen Wunde, die einer der Holzsplitter gerissen hatte, und blickte sich um. Dann deutete sie auf den Flur.
»Kyrou, Kane«, befahl sie und deutete dann auf die Stufen. »Beck, Lizzie.« Die Gruppenführerin ging voran, Despreaux folgte ihr. Sie achtete darauf, nicht erneut die mitleiderregende Gestalt anzusehen, die ausgebreitet im Schatten der Treppe lag.
Dafür war später Zeit. Sehr viel später.
Kapitel 31
»Klar«, sagte Pahner und nickte, als er den Bericht über den Helmkommunikator hörte. Es brachte ihn fast um, dass er Lieutenant Sawato den Einsatz der Kompanie hatte leiten lassen müssen: Er selbst hatte ja bei diesem Diner anwesend sein müssen. Und er war besser als jeder andere Angehörige der Kompanie geeignet, bei diesem Bankett einzugreifen, war da erst einmal die Kacke ans Dampfen gekommen. Außer ihm, nun ja, vielleicht noch Roger. Und das haute Pahner immer noch um.
Pahner gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die andere nur nach deren Fähigkeiten, mit Schusswaffen umzugehen, bewerteten. Dafür kannte er entschieden zu viele komplette Mistkerle, die zufällig im Kampfeinsatz sich als verdammt gute Schützen erwiesen. Doch Rogers überraschende Geschicklichkeit mit Waffen und die gelegentlich zu Tage tretende persönliche Tiefe hatte den Captain wirklich grundlegend verwirrt. In neunzig Prozent aller Fälle hätte er diesen verzogenen Jungspund am liebsten erwürgt. In letzter Zeit allerdings hatte es immer wieder einmal Augenblicke gegeben, da er beinahe beeindruckt gewesen war. Beinahe.
Er warf einen Blick auf die Karten und bestätigte Jins Bericht mit einem Grunzen.
»Also gut, ich übernehme dann jetzt zusammen mit Seiner Hoheit.
Halten Sie die Schatzkammer, aber ansonsten mischen Sie sich nirgends ein!«
Er blickte zu Xyia Kan hinüber. Ein Großteil des Blutes hatte er sich inzwischen abgewischt, aber der König bot immer noch einen bemerkenswerten Anblick. Kleine Klümpchen getrockneten Blutes klebten am Schmuck seiner Hörnern und in seinem Gesicht, doch als er sah, dass Pahner sich rührte, blickte er wachsam auf.
»Ja? Läuft alles wie gewünscht?«
Es war im Schloss tatsächlich alles ganz wie gewünscht verlaufen.
Der Kreis der Verschwörer war festgenommen, und die Anklageschriften gegen sie waren den Vorständen der anderen Häuser überbracht worden. Diese Vorstände waren angewiesen worden, ihrem jeweiligen Haus den Befehl zu übermitteln, sofort sämtliche Wachen abzuziehen. Widrigenfalls müssten sie mit einem ähnlichen Eindringen in ihre Gebäude rechnen. Die Vorstände der Häuser N'Jaa, Kesselotte und C'Rtena wurden voneinander getrennt und sollten festgehalten werden, bis die Beweise für ihre Vergehen vorlägen. Denjenigen, die anscheinend keinerlei Ahnung von dieser Verschwörung hatten, wurde gestattet, zu ihren Häusern zurückzukehren; die anderen wurden immer noch im Bankettsaal festgehalten. Dort waren sie von den toten Wachen umgeben, deren getrocknetes Blut langsam begann, einen säuerlichen Geruch zu verströmen. Der psychologische Effekt war durchaus heilsam.
»Alles läuft planmäßig«, bestätigte Pahner. »Wir haben einige Verwundungen im Haus C'Rtena erlitten – damit hatte ich nicht gerechnet. Aber niemand wurde ernstlich verletzt, und davon abgesehen sind wir sauber durchgekommen. Aber wir haben Brände in den Häusern C'Rtena und Kesselotte, und die Soldaten brauchen Unterstützung dabei, die Flammen zu löschen. Und Eure Wachen haben begonnen zu plündern. Meine Leute sind außer Stande, sie davon abzuhalten.«
»Das war zu erwarten«, meinte Grak mit einem resignierenden Klatschen. »Wie soll man Soldaten davon abhalten, zu plündern?«
Na ja, man könnte zum Beispiel damit anfangen, sie an Ort und Stelle zu erschießen, bis die Überlebenden begriffen haben, dass das nicht erlaubt ist , dachte Pahner mit zusammengebissenen Zähnen.
»Wahrscheinlich könnt Ihr das nicht«, sagte er dann laut und mit ruhiger Stimme. Diese ›Zuck-mit-den-Schultern-ist-mir-doch-egal‹-Einstellung ist ganz genau das, was ich nicht zulassen darf, dass es sich bei Prinz Roger einschleicht , sagte er zu sich selbst. Es gab einen feinen Unterschied zwischen ›unbarmherzig‹ und ›grausam‹ … und einen weiteren zwischen
Weitere Kostenlose Bücher