Das Buch Der 1000 Wunder
könnten wir, wenn in jeder Sekunde ein solcher Zug abgefertigt würde, im Lauf eines Jahrs rund 15¾ Milliarden Tonnen abfahren. Um den ganzen Erdball zu verladen, würde ein Zeitraum von nicht weniger als 378 Milliarden Jahren erforderlich sein, während beim Mond die Buddelei »nur« 4,6 Milliarden Jahre dauern würde. Die Länge des Eisenbahnzugs, der den gesamten Erdball enthielte, würde über 4¾ Trillionen Kilometer betragen oder etwa das 160 000fache der Entfernung des nächsten Fixsterns von der Sonne. Ein Lichtstrahl würde, um von der ersten Lokomotive bis zum letzten Wagen dieses Zugs zu gelangen, mehr als 500 000 Jahre unterwegs sein.
225. Die schiefe Friedrichstraße
Quelle: Ausschnitt aus der »Vossischen Zeitung« vom 29.11.1915.
Ein Schnitt durch die Erde in der Richtung ihrer Achse geführt, ergibt bekanntlich keinen Kreis, sondern eine Ellipse. Die Erde ist infolge der bei ihrer Drehung auftretenden Zentrifugalkraft an den Polen abgeplattet. Folglich muß jeder Marsch, den man auf unserer Halbkugel von Süden nach Norden macht, den Dahinschreitenden dem Erdmittelpunkt näher bringen.
Die große Verkehrsader Berlins, die Friedrichstraße, zieht nun mit ziemlicher Genauigkeit von Süden nach Norden. Geht man in dieser Erstreckungsrichtung über ihr Pflaster, so muß man notwendigerweise dem Erdmittelpunkt näher kommen; der Belleallianceplatz am Südende der Straße muß weiter von 314 ihm entfernt sein als das Oranienburger Tor im Norden. Jeder wird das auf eine Frage hin sofort zugeben, aber auch gleich hinzusetzen, daß der Unterschied doch nur sehr gering sein, daß es sich nur um ein verschwindend kleines Maßteilchen handeln könne.
Um so verblüffender ist die Antwort. Es sind nämlich 7 Meter.
Der Beweis – ohne mathematische Genauigkeit – ist leicht erbracht. Die Friedrichstraße ist reichlich drei, der ganze Erdquadrant zehntausend Kilometer lang; dadurch ist ja unser Längenmaß, das Meter, definiert. Die Friedrichstraße macht also rund den dreitausendsten Teil des Erdquadranten aus, es wird also auf sie auch der entsprechende Teil der Abplattung entfallen. Die ganze Abplattung beträgt ein Dreihundertstel des Werts, das heißt, der Polarradius ist um ein Dreihundertstel kürzer als der Äquatorialradius. Das ist relativ sehr wenig, absolut ausgedrückt macht es aber, da der Erdradius 6300 Kilometer lang ist, immerhin 21 000 Meter aus. Und hiervon der dreitausendste Teil: es sind und bleiben sieben Meter.
Daraus wiederum folgt, daß eine senkrechte Wand am Nordende der Friedrichstraße mit einer gleichfalls genau senkrechten Wand am Südende einen nicht unbeträchtlichen Winkel bilden muß. Solche Winkel lassen sich im allgemeinen schon bei sehr langen Gebäuden rechnerisch bestimmen, wenn sie auch dem Maurer nicht bemerkbar werden.
226. Der Schnee-Photograph
Quelle: Moritz Loeb , Aufsatz: »Schneekristalle« in dem Werk »Die Wunder der Natur«, Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, 1912. Z.
Die wunderbaren Formen der Schneekristalle, die sich auch dem bloßen Auge offenbaren, wenn die Flöckchen auf eine dunkle Unterlage fallen, hat wohl jeder schon einmal beobachtet – und ihre rasche Vergänglichkeit bedauert. Gibt es doch kein Mittel, um diese leichten Gebilde der Kälte aufzubewahren. Nur im Bild sind die köstlichen Formen festzuhalten, mit besonders prächtigem Ausdruck dann, wenn man die Kristalle durch das Mikroskop photographiert.
Es scheint nun eine Sisyphusarbeit, die allerfeinsten Schneeteilchen auf den Beobachtungstisch des Mikroskops bringen zu wollen. Denn sie zerbrechen schon, wenn sie nur gegeneinander stoßen, zerfließen bei der geringsten Wärmezufuhr. Dennoch hat ein amerikanischer Gelehrter durch unermüdliche Geduld und erstaunliche Geschicklichkeit es fertiggebracht, Mikro-Photographien von mehr als 2000 verschiedenen Schneekristallen herzustellen. Wilson A. Bentley in Jericho hat ein Vierteljahrhundert auf die Herstellung dieser Sammlung 315 verwendet; er mußte seine Arbeiten bei strengster Kälte, oft mitten in einem wütenden Blizzard ausführen und konnte sie nur vollenden, weil er eine große Gewandtheit im raschen Einstellen des Mikroskops und eine raschest funktionierende Kamera besaß. Das Ergebnis ist aber der Mühe wert, denn wir besitzen nun Bilder von Schneekristallen, die eine unerschöpfliche Fülle der herrlichsten Formen offenbaren.
Wie in einem riesenhaften Laubwald nicht zwei Blätter zu
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