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Das Buch Der 1000 Wunder

Titel: Das Buch Der 1000 Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Fuerst , Alexander Moszkowski
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finden sind, die einander vollständig decken, so ist auch keine der Schneeformen einer andern gänzlich gleich. Umso wunderbarer ist aber, daß sie alle Sechseckform haben, von der auch nicht ein einziges abweicht. Innerhalb dieses Rahmens gleichen die Flöckchen bald Blumen, bald Rädern, bald winzigen Säulen, immer sind sie von berückender Schönheit.
    „Wer genötigt ist, zu kunstgewerblichen oder industriellen Zwecken ständig neue figürliche Kompositionen zu ersinnen, braucht sich nicht länger den Kopf zu zerbrechen, wenn er Bentleys Photographien von Schneekristallen zu Hilfe nimmt. Musterzeichner, Spitzenklöppler und Künstler der graphischen Gewerbe können aus diesem schier unerschöpflichen Born, dem Gestaltungsreichtum der Natur, ihr Leben lang Anregungen gewinnen. Vieles, ja das meiste, was der Frost hier gewissermaßen spielend erzeugt, wird sich auf dem Webstuhl freilich nicht nachbilden lassen; denn diese Linien und Figuren sind zu zart und subtil, als daß sie sich mit Kettfaden und Einschlag erzeugen ließen. Aber der Überfluß an Formen in den Schneekristallen ist so groß, daß allein die darin gegebene Anregung genügt, um durch Vereinfachungen und Abänderungen unzählige brauchbare Vorlagen zu gewinnen.”

227. Der Schmetterling im Hagelkorn
    Quellen: Moritz Loeb , Aufsatz: »Schneekristalle« in dem Werk »Die Wunder der Natur«, Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, 1912. Z. – Professor Carl Kaßner: »Das Reich der Wolken und Niederschläge«. Verlag Quelle & Meyer, Leipzig, 1909.
    Vor einigen Jahren hatte man Gelegenheit, den gewiß seltsamsten Sarkophag zu beobachten, den jemals ein Lebewesen gefunden. Man fand nämlich in einem großen Hagelkorn den Leib eines Schmetterlings eingeschlossen.
    Das Phänomen des Hagels entsteht, wenn stark mit Wasserdampf gesättigte warme Luft in einem sehr rasch aufsteigenden Wirbel plötzlich in hohe Regionen emporgeführt wird. Es tritt dann reichliche Kondensation ein, doch infolge des raschen Aufstiegs bleiben die Wassermassen noch in flüssiger Form, wenn sie sich schon in Temperaturen befinden, die weit unter dem Gefrierpunkt liegen. Sie sind »überkaltet«. Es genügt dann aber der geringste Anstoß, um die Tröpfchen sofort zum Gefrieren zu bringen.
    316 „Die Wassertröpfchen erstarren zu strukturlosen Eisklümpchen, die durch ihre Schwere herabfallen und sich dabei teils auf dem Weg mechanischer Berührung durch Zusammenfrieren, teils beim Durchgang durch tiefer liegende, überkaltete Wolkenschichten vergrößern, um als Graupelkörner zur Erde zu gelangen. Bei der Erstarrung der überkalteten Nebelbläschen zu Eis wird jedoch gebundene Wärme frei, die sich der umgebenden Luft mitteilt und damit deren Temperatur rasch erhöht. Da aber erwärmte Luft leichter als kalte ist, so setzt sich der aufwärts gerichtete Luftstrom fort und reißt die bereits im Fall begriffenen, durch Abschmelzen schon wieder mit Wasser umhüllten Graupelkörner aufs neue empor, bis sie abermals in überkaltete Schichten gelangen, in denen sich ein weiterer Eisring um den Graupelkern legt. Je häufiger sich dieses Spiel wiederholt, desto größer werden die Eisklümpchen, bis sich schließlich um den undurchsichtigen Graupelkern mehrere Eishüllen gelagert haben. Erreicht der aufsteigende Strom, der diese Eisstücke mit sich führt, den oberen Rand der Wolke, d. h. vermag die immer dünner werdende Luft die Last nicht mehr schwebend zu erhalten, so fällt sie vermöge ihres Gewichts zu Boden: es hagelt.”
    Jener Schmetterling im kristallenen Sarkophag ist also wahrscheinlich von einem gewaltigen Luftstrom mit in die Höhe gerissen worden, bis er in eine überkaltete Wolkenschicht geriet. Dort gab er als »Kondensationskern« den Anstoß zum raschen Gefrieren, und der arme Falter, der auf Sturmesflügeln bis in Höhen getragen worden war, in die ihn seine zarten Schwingen niemals hätten bringen können – wahrscheinlich 12 000 Meter – stürzte in einer Eishülle zur Erde.
    Auch andere seltsame Hagelkornbildungen sind hier und da beobachtet worden. Am 30. Mai 1897 fielen in Seaford Schloßen so groß wie wohl ausgewachsene Pflaumen; hier und da waren mehrere Stücke noch zusammengefroren. Quenisset sah während eines Wintergewitters bei Paris riesige Hagelkörner niedergehen, von denen einige die Größe von Apfelsinen erreichten. In Morgan-Town im südamerikanischen Staat West-Virginia fand man ein Hagelkorn, das ganz

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