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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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bestimmt alle in einen dreistimmigen Chor eingeteilt und er hätte die zweite Stimme in »Still ruht der See« gesungen.
    Plötzlich wusste er, was es war. Es waren nicht Larssons.
    Es war die Stockholmerin. Also die Frau, die das Haus gemietet hatte.
    *
    Es muss gegen ein Uhr am zweiten Sonntag im Juli 1949 gewesen sein, gleich nach dem Gottesdienst im Radio, den er angehört hatte, eine Stunde in Stille, während das Wunder der Erlösung aus dem Apparat geschallt war.
    Wonach er freigelassen worden war.
    Er und die Großmutter Johanna hatten gemeinsam zugehört, er vor allem, um ihr Gesellschaft zu leisten, denn er fand, dass sie gleichsam gemütlich war, wenn sie gemeinsam dem Gotteswort lauschten. Und es war im übrigen ziemlich leer vor dem Apparat mit dem Gotteswort auf Gammelstället, weil keiner außer seiner Großmutter, und in gewissem Sinn er selber, warm gläubig war. Hauptsächlich aber sie. Und er hatte sich dann, der Hitze wegen, zur Badestelle aufgemacht und war deshalb schräg über die Weide beim Larssonhof gegangen.
    Larssons hatten zu ihrer Zeit als Besitzer des Hofs, vor dem Verkauf, keine einzige Kuh gehabt, es war also in gewisser Weise falsch, es eine Weide zu nennen. Nicht einmal als ein halbes Kuhland konnte man es bezeichnen. Dies zur Klarstellung.
    Da hatte er sie gesehen.
    Das war also, nachdem Larssons an Onkel John verkauft hatten. Es war jetzt an eine Frau aus Stockholm vermietet. Sie hatte es für einen Monat gemietet.
    Hinterher, als er sich an alles erinnerte, war es, als sei ihm das Wort freimütig in den Sinn gekommen, als er sich ihr von Osten, wenn man sich den Larssonhof in nord-südlicher Richtung liegend vorstellt, näherte. Es war, als habe sie freimütig da im Gras auf einer Decke gelegen und sich gesonnt und ein Buch gelesen.
    Sie hatte etwas Freimütiges an sich, was ihn dazu bewog, sich nicht, wie der Anstand es gebietet!, entschuldigend fortzudrehen und mit abgewandtem Gesicht einen südwestlicheren Kurs einzuschlagen, um nicht zu stören. Vielleicht mit ein paar kurzen und freundlich entschuldigenden Worten. Aber sie hatte sich mit einem kleinen freimütigen Lächeln halb zu ihm umgewandt, auf dem Bauch liegend und mit aufgeknöpftem BH , und untenrum nur einen gelben Schlüpfer, und mit einigen einfachen Worten gleichsam die Spannung nach seinem unerwarteten und auf jeden Fall ungeplanten Entree aufgelöst.
    »Nein, bist du das?«, hatte sie ganz einfach gesagt.
    »Ja«, hatte er ebenso einfach geantwortet.
    Fing es so an? Es sind so viele Jahre vergangen. Sollte es sein Leben verändern?
    Es sind so viele Jahre vergangen.
    Es war nicht das erste Mal, dass er sich mit ihr unterhielt.
    Dann und wann waren ein paar Worte zwischen ihnen gefallen, Frage und Antwort eher, und als sie sich jetzt nach links zu ihm umdrehte und sagte Nein, bist du das? und er Ja antwortete, hatte er von der Seite die linke ihrer freigelegten Brüste sehen können, ganz deutlich. Er hatte da innegehalten auf seiner Wanderung, schließlich wie völlig versteinert dagestanden, aber sicher ohne dass es an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen war. Und er hatte etwas gesagt (im Nachhinein kann er sich nicht mehr an den Wortlaut erinnern, doch es war etwas über die Sommerhitze, und dass er auf dem Weg zur Badestelle sei), und da hatte sie ganz ruhig das Buch von sich gelegt, und er hatte augenblicklich gesehen, dass es Bernhard Nordhs Roman Fjällfolk war, in dem sie mittendrin war.
    Wenn er richtig sah. Was seine Frage und ihre Antwort sogleich bekräftigen sollten.
    Sie hatte erklärt, sie sei aus Stockholm, genauer gesagt aus Södertälje, einem Vorort von Stockholm, wie sie verdeutlichte, aber er war ja einmal in Södertälje gewesen, als die Mutter dort ein Sommertreffen des Missionsvereins der Lehrerinnen ( LMF ) besucht hatte, und wusste, dass es eine eigene Stadt war, wollte es jedoch nicht sagen, denn die Stimmung war so gesegnet , dass er sie nicht verderben wollte. Sie hatte braune Haare und Augen, die ihm von Anfang an aufgefallen waren, und es war unklar, warum sie sich allein hier auf dem Larssonhof aufhielt, aber vielleicht war sie geschieden. Er wusste, dass er sie auch vorher schon angeschaut hatte.
    Sie sah ziemlich rund und nettig aus, ohne dass es irgendwie als übertrieben bezeichnet werden konnte. Es war schwer zu beurteilen, wie alt sie war, vielleicht um die fünfzig, hatte er geschätzt, aber sie hatte sich gut gehalten! wirklich!, auch wenn jede Beurteilung ja schwer

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