Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist

Vom Netzwerk:

später, hatte sie gefragt:
    »Schmeckt dir die Limonade?«
    »Doch«, hatte er gesagt, »besser als im Umkleideraum, nur wärmer.«
    Er überlegte eine Weile, was er gesagt hatte, es klang ein wenig komisch, was an der leichten Anspannung liegen mochte, oder daran, dass er sich ein wenig verkrampft fühlte, vielleicht sollte er sich erklären, doch gerade da brach sie mit einer Frage das Schweigen, und dann war es vergessen.
    »Darf ich dich etwas fragen, aber du brauchst nicht zu antworten.«
    Da hatte sie, als habe sie nach einem langen Zögern Anlauf genommen, und weil das mit der Limonade jetzt geklärt war, ihn gefragt, ob er jemals mit einer Frau zusammen gewesen sei, also dass sie nebeneinandergelegen und Umgang miteinander gehabt hätten, und darauf hatte er verneinend geantwortet. Überhaupt nie? Nee, bistu noch gescheit, hatte er mit einem kleinen Lächeln gesagt, sich aber kein winziges bisschen geschämt, denn sie hatte so vorsichtig gefragt. Und da, genau da, hatte sie gesagt, Dann sind wir ja beinahe gleich , denn bei mir ist es sieben Jahre her, und man vergisst fast, wie es war. Wenn du das sagst , hatte er erwidert, also ich, ich weiß ja nicht, denn ich hab ja nix zum Vergleichen , aber da hatte sie aufmunternd gelacht und gesagt, Du bist doch so rank und gut trainiert und hast den Körper eines Sportlers, das kommt schon noch, mach dir keine Sorgen . Aber du weißt wohl nicht, wie man es macht, hatte sie hinzugefügt. Du hast keine Probleme mit der Vorhaut?
    »Der Vorhaut?«
    »Ja, weißt du, was das ist?«
    »Ja klar.«
    »Und du hast keine Probleme?«
    »Probleme? Wie denn?«, hatte er verblüfft gefragt. Da hatte sie erklärt, dass sie in ihrer medizinischen Arbeit als Buchprüferin in der Wirtschaftsabteilung des Krankenhauses in Södertälje und als Beraterin und Assistentin von jungen Männern gehört habe, die Probleme mit dem Zurückziehen der Vorhaut hätten, besonders bei Steifheit, obwohl es ja so einfach zu lösen sei, wenn man nur wollte.
    »Nee«, hatte er gesagt. »Jetzt nicht mehr. Aber man weiß ja nie.«
    »Bevor man es nicht versucht«, hatte sie nachdenklich gleichsam ergänzt. »Beim eigentlichen Liebesakt versucht.«
    Es war da so seltsam still geworden, und sie war aufgestanden und war hinübergegangen zum Wassereimer und hatte die Schöpfkelle genommen und getrunken und war ans Fenster getreten und hatte auf die Fliegen geguckt, und dann wieder zurück zum Wassereimer, hatte die Kelle gegriffen, sie aber zurückgelegt, ohne zu trinken, und war über den Fußboden gegangen und vor ihm stehen geblieben und hatte ihn ganz ratlos oder beinahe den Tränen nahe angesehen, als wüsste sie nicht ein noch aus. Und dann hatte sie sich sozusagen zusammengenommen und gesagt:
    »Stell dich hin, dann bin ich deine Beraterin.«
    »Beraterin«, hatte er gefragt, fast ohne Stimme, denn die schien in der Hitze wegzubleiben, »sollst du meine Beraterin sein?«
    »Willst du nicht wissen, was das ist?«, hatte sie nach einer Pause gefragt, die so lang war, dass man nur die Fliegen gegen die Fensterscheibe und nicht einmal die Vögel hörte. »Das ist eine Wohltäterin. Willst du?«
    Vielleicht verging nur eine Sekunde. Oder verging eine Minute? Er erinnert sich nicht mehr genau. Es ist so viele Jahre her.
    »Doch«, hatte er gesagt.
    Und dann hatte er sich hingestellt.
    Sie hatte sehr still und beinahe demütig gesagt, dass sie mal sehen wolle, und dann hatte sie seinen Gürtel gelöst und ihm die Hosen nach unten gestreift, und nach nur wenigen Augenblicken, in denen er fast nicht zu atmen wagte, mit einem stillen, aber gleichzeitig entwaffnenden Lächeln an sein Glied gerührt, und erwidert, dass dies, mit dem Schmerz beim Zurückziehen der Vorhaut, dass dies ja normal wäre, dass es aber vielleicht bei ihm nicht so wäre, obwohl er keinen Umgang gehabt hätte oder so.
    Sie hatte etwas gemurmelt, was er nicht richtig verstand, und weit später, sechzig Jahre später, als er sich am Ufer des Flusses befand und sich erinnern wollte, sich fast verzweifelt erinnern wollte, konnte er nicht im Detail rekapitulieren, was gesagt worden war; aber sie hatte sehr leicht an seinen Pimmel gerührt, nur mit den Fingerspitzen.
    Die Worte des Psalmisten kamen und verschwanden; war es nicht etwas mit Wonne gewesen? Ihm wurde ganz schwindelig hiervon, aber hauptsächlich von ihren Fingerspitzen. Es gab ja im Dorf ein historisches Beispiel dafür, dass Burmans älteste Tochter geschlechtlichen Umgang gehabt