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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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du, hatte er nach einem ziemlich langen und beinahe unnatürlichen Schweigen gefragt. Und sie hatte geantwortet: Ellen. Sie hatte dann, also nach dem klärenden Gespräch über Bernhard Nordh, gefragt, ob er eine Liebste habe; er hatte dies nachdrücklich verneint. Kein Mädchen, für das du schwärmst?, hatte sie hinzugefügt, er hatte den Kopf geschüttelt, Und nie gehabt?, hatte sie dann gefragt. Nach einem kürzeren Schweigen hatte er auch dies bekräftigt. Nie gehabt.
    »Nie gehabt«, hatte sie da mit leiser Stimme beinahe geflüstert; aber er hatte dank des natürlichen Schweigens der Natur um sie her, nur durch einzelne Laute eines Vogels unterbrochen, einen Vogelgesang konnte man es vielleicht nennen, hören können, was sie sagte. Nie gehabt.
    Aber da dies keine Frage war, hatte er nicht geantwortet.
    »Und wann wirst du sechzehn?«, hatte sie gefragt.
    »Im September«, hatte er nach einem gewissen Zögern geantwortet. Es dauerte dann länger und länger zwischen Frage und Erwiderung, was teilweise darauf beruhte, dass sie ihn so freimütig angesehen und zwischen ihren Mundlippen in einer Tonlage gesprochen hatte, als sei sie irgendwie bedrückt oder ratlos. Er hatte einige Augenblicke lang erwogen, das Gespräch über das Werk Bernhard Nordhs wiederaufzunehmen; doch weil sie jetzt, aufgrund der intensiven Wärme der Nachmittagssonne, ihren Büstenhalter auf den Boden hatte fallen lassen, fühlte er sich verwirrt von der Hitze und ihrer Freimütigkeit, oder Traurigkeit, und weil er nicht anders konnte, als mit dem Blick ihren jetzt ganz freigelegten Brüsten auszuweichen, wusste er nicht ein noch aus.
    »Es ist heiß«, hatte sie nach einem langen Schweigen gesagt. »Willst du dadrinnen eine Limonade?«
    »Hast du dadrinnen eine Limonade«, hatte er gefragt.
    »Ja doch«, hatte sie geantwortet.
    Es war wirklich sehr heiß gewesen auf der Wiese vor dem Larssonhof an ebendiesem Julitag 1949. Man kann es bestimmt belegen.
    Er konnte die Hitze sehr deutlich spüren. Sie hatte dadrinnen eine Limonade, die sie ihm anbot. In seiner Verwirrtheit hatte er da die Gelegenheit ergriffen, ihr zu erzählen, dass man bei den Spielen von Bureås A-Mannschaft in der Pause eine Limonade an jeden Spieler austeilte, während man in der B-Mannschaft, in der er jetzt spielte, zu zweit eine Limonade teilen musste, und dass dies seit vielen Jahren so üblich war, auch schon lange bevor er zu spielen angefangen hatte. Er erzählte, dass er als Torwart spielte, aber auf jeden Fall, er mochte Limonade, und dass man auch bei den Junioren, wo er ebenfalls im Tor stand, in der Pause eine Limonade teilte, das war ganz natürlich, und dass er …
    »Willst du eine Limonade oder nicht!«, hatte sie ihn da beinahe heftig oder vorwurfsvoll unterbrochen.
    Er hatte über ihre Frage nachgedacht.
    »Ich will eine Limonade«, hatte er gesagt.
    »Na also«, hatte sie gesagt.
    Dann waren sie in den Larssonhof gegangen. Sie war vor ihm gegangen, und er hatte die Tür hinter ihnen nicht geschlossen.
    »Mach zu«, hatte sie gesagt. »Lass die Wärme nicht rein.«
    Daraufhin schloss er die Tür, aber ohne etwas zu erwidern.
    Der Wassereimer stand neben dem Herd.
    Sie ging zuerst dorthin und trank aus der Schöpfkelle, so dass es fast über die Brüste herablief, auf jeden Fall über die linke, dann ging sie zur Speisekammer und suchte eine Weile nach der Limonade, die sie schließlich fand, ganz unten links, und es war natürlich so, dass sie alles Essen für den täglichen Bedarf in der Speisekammer hatte, besonders Kartoffeln, sie kochte ja nur für sich selbst, weil sie allein mietete, aber sie hatte wirklich eine Limonade, obwohl es sie hart ankam, diese zu finden, ganz unten, links.
    »Du hast wohl schon beinah die Hoffnung aufgegeben«, hatte sie gesagt und sich neben ihn auf die Küchenbank gesetzt.
    »Nein, versprochen ist versprochen.«
    »Was?«, hatte sie gefragt.
    »Dass du eine Limonade für mich hast«, hatte er erwidert.
    Sie hatte ihn gefragt, warum er so viel über Bernhard Nordh wisse, und da hatte er es mit einigen kurzen Worten erklärt, und sie saß immer noch nur in der Unterhose da und hatte den BH vom Oberkörper abgehakt, wegen der Hitze.
    Die ganze Zeit hatte sie ihn mit diesem kleinen nettigen Lächeln angesehen, oder ob sie nur bedrückt aussah? Und er begann darüber nachzudenken, warum sie, die eben noch so fröhlich gewesen war, jetzt traurig aussah, aber immer noch nettig, und gerade da, oder vielleicht eine kurze Minute

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