Das Buch der Lebenskunst
braucht ein Du und Ich, das auf der gleichen Ebene steht.
Einer beschenkt den andern. Eine befruchtet die andere. Wenn eine Helferbeziehung zur Freundschaft wird, dann muss der Helfer von seiner Position herabsteigen und sich auf die Ebene des Freundes begeben.
Wenn er immer wieder seine Vaterrolle oder Helferrolle einnimmt, zerstört er damit die Freundschaft. Der Freund fühlt sich behandelt und belehrt, aber nicht um seiner selbst willen geliebt.
„Übermaß der Wohltaten schwächt die Freundschaft statt sie zu stärken“, sagt Ernst Raupach. Es gibt Freunde, die dem Freund zu viel schenken. Das bewirkt im Freund das Gefühl, der andere möchte sich die Freundschaft erkaufen. Er wird das Gefühl unterdrücken. Aber schon bald wird das unterdrückte Gefühl in ihm zur Aggression und schließlich zur Verhärtung führen. Und das verhärtete Herz kann keine Freundschaft mehr fühlen. Es darf kein Gefalle in der Freundschaft geben, etwa das Gefalle des reichen Gebers und des armen Empfängers, des Unwissenden und des Wissenden, des Gesunden und des Kranken.
Freundschaft braucht die Gleichheit der Freunde, sonst ist sie bedroht.
ERKENNEN
Freundschaft und Liebe vermögen den Menschen aus seiner Einsamkeit zu befreien und seinem Leben einen neuen und tieferen Sinn zu geben. Dabei wird die Einsamkeit nicht aufgehoben, sondern verwandelt. Echte Freundschaft und Liebe brauchen freilich auch die innere Einsamkeit. Rainer Maria Rilke sagt von der freundschaftlichen Liebe: „Die Liebe besteht darin, dass zwei Einsamkeiten sich gegenseitig schützen und lieben.“ Wenn der andere meine Einsamkeit respektiert und zugleich liebt, dann verliert sie das Bedrohliche. Sie wird der Ort, an dem ich ganz eins bin mit mir. Das ist die Voraussetzung, dass ich auch mit dem Freund eins werden kann.
Freundschaft hilft immer dazu, den anderen in seinem wahren Wesen zu erkennen. Augustinus sagt mit Recht: „Nur dank der Freundschaft kann man jemanden wahrhaft erkennen.“ In der Freundschaft berühre ich das Herz des andern mit all seinen Höhen und Tiefen. Ich spüre, was er fühlt und denkt. Ich sehe, was ihn bewegt und bedrängt. Ich verzichte darauf, zu urteilen und zu bewerten. Ich schaue einfach hin und nehme alles so, wie es ist. Wer den Freund oder die Freundin in seiner ganzen Tiefe erkannt hat, der wird nun auch andere Menschen mit einem klareren Blick betrachten. Und er wird darauf verzichten, sie zu beurteilen. Die Freundschaft befähigt ihn, auch andere Menschen vorurteilslos anzunehmen.
Freundschaft kann sich in Liebe wandeln, und Liebe kann sich mit der Freundschaft verbinden. Psychologen haben festgestellt, dass Ehen, die aus einer langjährigen Freundschaft heraus geschlossen werden, länger halten als Ehen, die Verliebte aufgrund ihrer leidenschaftlichen Liebe eingehen. Aber auch wenn sich Verliebte heiraten, kann ihre Ehe sich zur Freundschaft wandeln. Wenn die Ehe nur auf den körperlichen Reizen aufgebaut ist, haben sich die Eheleute oft bald nichts mehr zu sagen.
Wenn sie jedoch nach den ersten Enttäuschungen lernen, über sich hinauszusehen und ihre geistigen Interessen miteinander auszutauschen, kann aus der Liebe Freundschaft werden. Dann wird die Freundschaft die Liebe vertiefen und die Liebe die Freundschaft befruchten.
MÄNNERFREUNDSCHAFTEN
Auch heute sind für viele Männer ihre Freunde wichtig. Es gibt viele Männergruppen, in denen man sich austauscht und miteinander etwas unternimmt. Und es gibt wichtige persönliche Freunde. Mit ihnen wollen die Männer Freundschaft auch weiterhin leben, wenn sie verheiratet sind. Für junge Ehefrauen ist das manchmal ein Problem. Sie meinen, der Mann müsse nun alle seine Liebe nur ihr zeigen. Doch offensichtlich braucht ein Mann auch den Freund, um ganz er selbst zu werden. Selbst die Liebe zu seiner Frau, auch wenn sie noch so erfüllend ist, ersetzt ihm nicht auf Dauer diese Qualität der Freundschaft. Wenn Männer aus Rücksicht auf ihre Frau mit ihren Freunden brechen, so tut das in der Regel der Ehe nicht gut. Freunde geben der Ehe einen größeren und solideren Rahmen. Die Freundschaft mit anderen Männern bereichert die Liebe zwischen Mann und Frau, anstatt sie zu gefährden.
Sie entlastet sowohl den Mann als auch die Frau von Übererwartungen.
Die Frau kann nicht alle Erwartungen des Mannes erfüllen und umgekehrt. Beide brauchen noch andere Beziehungen, damit die eigene Beziehung das richtige Maß findet.
FRAUENFREUNDSCHAFTEN
Es gibt viele
Weitere Kostenlose Bücher