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Das Buch der Lebenskunst

Das Buch der Lebenskunst

Titel: Das Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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einer den andern auch loslässt und freilässt. Loslassen, so sagt uns auch die Psychologie, ist die Voraussetzung für ein erfülltes Leben.

    LIEBE BRAUCHT ZEIT
    „Wer ungeduldig ist, der liebt nicht.“ Als ich diesen Satz - ein italienisches Sprichwort - zuerst gelesen habe, war ich sehr verwundert.
    Wie hängen Geduld und Liebe zusammen? Warum ist der Ungeduldige unfähig zu lieben? Doch die Liebe hat in der Tat mit Warten und mit Tragen und Ertragen zu tun.
    Der Liebende lässt dem Geliebten Zeit zu wachsen. Er verzichtet darauf, den andern so zu formen, wie er ihn gerne haben möchte. Er nimmt ihn so, wie er ist. Er nimmt ihn an, er duldet ihn mit all seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Fehlern und Grenzen. Der Ungeduldige hat bestimmte Vorstellungen vom andern. Und er meint, der andere müsse seine Vorstellungen sofort erfüllen. Wenn er ihn auf Fehler anspricht, dann müsse er sie möglichst bald ablegen. Doch diese Ungeduld tötet die Liebe.
    Es ist natürlich, dass wir Wünsche an den Geliebten haben. Wir hoffen für ihn, dass er weiter wächst, dass er manche Fehler ablegen kann. Aber wir lassen ihm Zeit. Wir warten, bis seine Zeit gekommen ist. Der Ungeduldige meint, der andere könne sich sofort andern. Er brauchte es nur zu wollen, dann würde es auch gelingen.
    Hinter der Ungeduld steckt ein enges Menschenbild: Der Mensch muss funktionieren. Er muss alles sofort andern. Man lässt ihm keine Zeit zum Wachsen und Reifen. Und man weigert sich, ihn in seiner Einma ligkeit anzunehmen. Auch Fehler und Schwächen können ja etwas Liebenswürdiges sein. Aber es hängt an meiner Sicht. Wenn ich geduldig den andern sein lasse, wie er ist, dann werde ich ihn in seiner Einmaligkeit immer mehr lieb gewinnen. Und die Fehler und Schwächen sind nicht mehr so wichtig. Wenn das Herz sich mit dem Herzen des andern verbindet, dann stören die Begrenztheiten nicht, dann übt man sich in Geduld, dann freut man sich am Sein des andern. Wer auch mit sich Geduld hat, der allein ist fähig, den andern zu lassen und zu lieben, wie er ist.

    UMARMT DURCH DIE SCHÖPFUNG
    Liebe übersteigt den Menschen - und sagt doch etwas aus über unsere tiefste Bestimmung. Die entscheidende Aussage über die Beziehung zu Gott besagt, dass er mich liebt, dass ich für ihn wichtig bin. Die Frage ist, wie ich diese Liebe erfahren kann. In den Worten der Bibel, beim Propheten Jeremia, erfahre ich: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt.“ (Jer 31,3) Diese Worte gelten mir persönlich. Wenn ich sie in mein Herz fallen lasse, erahne ich, dass dies der tiefste Grund meiner Existenz ist. Ich kann diese bedingungslose Liebe spüren, wenn ich die Heilungswunder Jesu und seine Begegnung mit Menschen betrachte. Und ich kann sie in der Schöpfung wahrnehmen, etwa in der Sonne, die mich mit ihren warmen Strahlen durchdringt, oder im Wind, der mich zärtlich streichelt. Gott umarmt mich durch seine Schöpfung. Hier kommt mir seine zärtliche und fürsorgende Liebe entgegen.

    LUFT ZUM ATMEN
    In unserer Liebe zu einem Menschen erleben wir auf der einen Seite das Faszinierende und uns Verzaubernde der Liebe. Wir blühen auf, wenn ein Mensch uns liebt und wenn wir in uns eine tiefe Liebe zu ihm wahrnehmen. Auf der anderen Seite spüren wir auch die Brüchigkeit dieser Liebe. Unsere Liebe ist vermischt mit Besitzansprüchen, mit Eifersucht und Missverständnissen. Die Liebe kann uns zwischen den Fingern zerrinnen. Auf einmal ist sie nicht mehr da. Wir versuchen uns, an den andern zu klammern, weil wir ihn nicht verlieren möchten. Wir erwarten vom andern absoluten Halt, absolute Geborgenheit und absolute Liebe. Doch etwas Absolutes kann uns kein Mensch schenken. So überfordern wir den andern mit unseren Erwartungen. Viele Ehekrisen haben in diesen übertriebenen Erwartungen ihre Ursache. Aber wenn uns die Dimension der Transzendenz fehlt, dann ist es nur zu verständlich, dass wir das Absolute von etwas Begrenztem erwarten, dass wir von einem Menschen etwas Göttliches erhoffen.
    Wenn der Mensch uns nicht alles geben muss, was unsere Sehnsucht zu stillen vermag, sondern wenn er uns auf eine große Liebe verweist, auf das, was allein Gott zu geben vermag, dann kann auch die Beziehung zum Menschen gelingen. Dann können wir die Liebe genießen, die uns der andere schenkt. Aber wir müssen uns dieser Liebe nicht ständig vergewissern. Wir müssen sie nicht aus dem anderen herauspressen.
    Wir freuen uns

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