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Das Buch der Lebenskunst

Das Buch der Lebenskunst

Titel: Das Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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einem nichts freundlich vor“.
    Ohne Freund wird das Leben grau. Da verliert es alle Liebenswürdigkeit. Augustinus baut einen christlichen Freundeskreis auf.
    Er kann ohne Freunde nicht sein. Und er leidet doch daran, dass es eine letzte Übereinstimmung zwischen den Freunden nicht gibt. Er braucht die Freunde, um mit ihnen über das Geheimnis des Lebens und über die Liebe Gottes zu sprechen. Seine wesentlichen Gedanken entfaltet er im Gespräch mit Freunden. Augustinus schreibt seine Bücher nicht in der einsamen Kammer, sondern immer in Beziehung zu diesen Freunden. Er will mit seinen Gedanken die Freunde erfreuen. Er versucht auf ihre Fragen zu antworten. Ein großer Teil der Werke des Augustinus besteht aus Predigten. Sie sind deswegen so lebendig, weil er seine Hörer immer im Blick hat. Dieser Blick auf die Menschen, auf ihre Sehnsüchte, auf ihre Nöte treibt ihn dazu, in den Worten der Bibel eine Antwort zu finden auf die tiefste Unruhe des menschlichen Herzens. Und die Freunde locken aus ihm die wunderbaren Formulierungen hervor, die wir von Augustinus kennen.
    In den kirchlichen Streitigkeiten und in den politischen Konflikten seiner Zeit fühlte sich Augustinus oft einsam. Sein feinfühliges Herz schmerzte, wenn er selbst angegriffen wurde. Er konnte und wollte nicht mit gle icher Härte zurückschlagen. Im Kreis der Freunde aber fühlte er mitten in der Fremde dieser Zeit Heimat. Es war die Zeit, in der die Grundfesten des Abendlandes wankten. Die antike Kultur zerfiel. Rom, die stolze Hauptstadt, wurde eingenommen. Freunde wurden da ein wichtiger Halt in der Haltlosigkeit der Zeit. Der Kreis der Freunde war ein Ort, an dem Augustinus diese Welt ertragen konnte. Und er war zugleich für ihn Verheißung einer ewigen Heimat: Himmel ist, wenn unser Herz nicht nur bei Gott sein, sondern in der Gemeinschaft all derer sein wird, die wie wir Gott gesucht haben.

    KOSTBARKEITEN
    Schreiben gehört wesentlich zur Freundschaft. Der Freundschaft verdanken wir wohl die schönsten Briefe der Weltliteratur. Heute haben wir leider verlernt, einander Briefe zu schreiben. Und doch braucht die Freundschaft den Brief, in dem ich dem Freund mitteile, was mich bewegt. Konstantin Raudive sagt einmal: „Menschen, die keine Briefe gewechselt haben, kennen einander nicht.“ Für den Philosophen Ernst Horneffer ist der Brief an den Freund wie ein Fest, das wir mitten im Alltag feiern: „Der Brief sei dir ein Fest! Dieses Fest darfst du dir gönnen.
    Ein griechischer Weiser sagte: ‚Ein Leben ohne Feste ist wie eine Wanderung ohne Herberge.’ Schaffe dir in der harten, ruhelosen Wanderung eine Raststätte der Seele - im Brief.“ Die Liebe, die in uns ist, will Ausdruck. Der Brief ist ein bleibender Ausdruck der Freundschaft.
    Ihn kann ich immer wieder le sen. Franz Xaver las kniend und unter Tränen die Briefe, die ihm sein Freund Ignatius von Loyola schrieb. Die Briefe ließen die Freundschaft le bendig bleiben, auch wenn sich die Freunde nie mehr im Leben sahen.
    Wenn ich an einen Freund oder an eine Freundin einen Brief schreibe, so kommen mir andere Worte in den Sinn als beim Brief an einen Fremden. Der Freund bringt mich in Berührung mit den inneren Ahnungen. Er treibt mich dazu, den leisen Impulsen meines Herzens Ausdruck zu geben. So sind gerade die Briefe an Freunde oft so kostbar.
    In ihnen finden sich Formulierungen, auf die wir von uns aus nie kommen würden. Die Freundschaft lockt aus unserem Herzen Worte hervor, die nicht nur dem Freund gelten, sondern die das Geheimnis des Lebens und der Liebe selber beschreiben. Briefe, die Freunde sich geschrieben haben, etwa die Briefe zwischen Dietrich Bonhoeffer und seiner Braut oder die Briefe zwischen Bonifatius und Lioba, stellen daher einen bleibenden Wert auch für uns dar, wenn wir sie heute lesen. Und viele nehmen diese Briefe heute gerne zur Hand, um dem Geheimnis der eigenen Freundschaft nachzuspüren und sich von ihnen inspirieren zu lassen.

    HEIMAT
    In der Freundschaft erfahren wir Heimat. Rainer Maria Rilke sagt:
    „Was ich an Heimat habe, liegt, da und dort verteilt, im Bewusstsein der Freunde.“ Dort, wo die Freunde sind, dort ist Heimat. Und Heinrich Zschokke drückt die gleiche Erfahrung so aus: „Wer ohne Freund ist, geht wie ein Fremdling über die Erde, der zu niemandem gehört.“ In der Zeit des Rokoko, in der sich der Bürger in einem absolutistischen Staat oft genug ohnmächtig und überflüssig fühlte, wurde die Freundschaft zu einem Raum, in

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