Das Buch der Lebenskunst
Freundschaften zwischen unverheirateten Frauen. Sie begleiten einander, geben einander Halt, tauschen sich aus, teilen ihre Erfahrungen, ihre Gefühle, ihre Erlebnisse. Sie verreisen miteinander und haben die gleichen Interessen. Manchmal befruchten sie sich gegenseitig auf ihrem spirituellen Weg. Viele Ehefrauen sind miteinander befreundet. Während die Männer in der Arbeit sind, treffen sie sich, sprechen über die Kinder und über ihre Partnerschaft. Die Freundschaft mit anderen Frauen gibt ihnen ein Gefühl von Heimat. Die Freundschaft zwischen einer unverheiratete n und verheirateten Frau hat ihren eigenen Wert. Oft ist sie für beide fruchtbar. Die verheiratete hat durch ihre Freundschaft teil an der Welt der unverheirateten und umgekehrt. Das erweitert ihren Horizont und relativiert ihre Probleme.
Frauen, die auf ihre Weise echte Freundschaft leben, erfahren, was Anna Luise Karsch mit den Worten ausgedrückt hat: „Meine Freunde sind das kostbarste Geschenk meines Glückes. Ich vertausche sie nicht für Reichtümer.“ Viele Frauen fühlen sich von ihren Freundinnen genauso gehalten wie von ihren Familien. Die Schriftstellerin Zenta Maurina schreibt echten Freundinnen die Fähigkeit zu, „trübe Dezemberstunden in Maitage zu verwandeln und mitten in der Nacht ein Licht zu entzünden“.
FREIRAUM
Das Wort Freundschaft hat die althochdeutsche Wurzel „frija“, die sowohl frei als auch lieben (frijon) bedeutet. Freiheit und Liebe begegnen sich in der Freundschaft. Für die Germanen ist der Freund der, den man schützt und dem man beisteht, den man gerne hat und liebt. Der Freund ist frei. Er lebt sein eigenes Leben. Und doch weiß er sich vom Freund oder von der Freundin geliebt. Die Liebe engt ihn nicht ein. Sie verpflichtet ihn nicht, die Wohltaten des Freundes zurückzuzahlen. Was er für den Freund tut, das tut er aus Liebe und aus freiem Willen. Und er bindet den Freund nicht durch seine Wohltaten und durch seine Liebe, sondern lässt ihn frei.
Das rechte Miteinander von Liebe und Freiheit zu finden, ist nicht einfach. Unsere Liebe ist oft genug vermischt mit Besitzansprüchen, mit Festklammern, mit Erwartungen an den andern. Und sie erhebt oft den Anspruch der Gegenseitigkeit. Was ich für den andern tue, das erwarte ich auch von ihm. Doch dieses Rechnen verunmöglicht wahre Freundschaft. Es gibt Freunde, die sich jahrelang nicht sehen und nicht miteinander kommunizieren. Doch sobald sie sich treffen, flammt die Freundschaft wieder auf. Die Liebe und das Verstehen strömen zwischen den beiden, als ob sie sich erst gestern getrennt hätten. Sie sind miteinander vertraut. Sie kommen in der Erzählung sofort zum Wesentlichen. Sie berühren einander. Sie werden eins in ihrem Herzen.
Sie haben sich gegenseitig in die Freiheit entlassen, ohne ihre Liebe zueinander zu verlieren.
Das Verhältnis von Freiheit und Liebe wird bei jedem Freundespaar anders sein. Immer wenn ich einen Freund gern habe, entsteht auch ein Stück Abhängigkeit. Wenn ich mir dieser Abhängigkeit bewusst werde, kann ich mich davon distanzieren und den Freund bewusst freilassen.
Echte Freundschaft zeichnet sich durch innere Freiheit aus. Ich darf sagen, was ich fühle, ohne alles berechnen zu müssen. Ich bin frei, den Weg zu gehen, den ich als richtig erkannt habe. Ich brauche keine falsche Rücksicht auf den Freund zu nehmen, wenn ich spüre, dass ich eine andere Aufgabe oder einen anderen Wohnort wählen sollte. Ich kann frei atmen. Und ich lasse auch dem Freund den Freiraum, den er für sein Leben braucht.
TRAU DER LIEBE - UND GEH IHR AUF DEN GRUND
NUR MIT DEM HERZEN SIEHST DU GUT
GEHEIMNIS DES HERZENS
Eines der berühmtesten Worte von Antoine de Saint-Exupery, das viele Menschen nach wie vor berührt, steht in seiner Parabel vom „Kleinen Prinzen“, jenen Geschichten von der Suche des Menschen nach Glück:
„Adieu, sagte der Fuchs. Hier mein Geheimnis: Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Die deutsche Sprache hat für die drei Wörter glauben, lieben und loben die gleiche Wurzel: Hob = gut. Glauben heißt „für lieb halten, gutheißen“.
Liebe besteht darin, das Gute, das ich im andern sehe, gut zu behandeln.
Und loben meint: das Gute auch ansprechen und gut über einen Menschen reden und ihm so Raum zur Entfaltung und zum Wachsen schaffen.
Die Sprache und was sich in ihr an Weisheit verdichtet hat, entspricht der Erfahrung des Fuchses aus
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