Das Buch der Lebenskunst
meistern. Sie erkaufen diesen Irrtum nicht nur mit persönlichen Krisen, sondern auch dadurch, dass sie ihre unbewussten Schattenseiten in die Firma mit einbringen. Um sie herum entsteht ein Nebel aus unbewussten Bedürfnissen und Emotionen. Sie treiben emotionale Umweltverschmutzung. In so einem Klima werden Menschen krank. Der Krankenstand einer Firma hängt oft mit dem verdrängten Schatten der Führenden zusammen, der sich oft über die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wie ein krank machender Smog legt. Die Krise zwingt uns, uns unseren Schattenseiten zu stellen und sie anzuschauen. Das wird ein heilsamer Weg für unsere Umgebung sein. Wenn wir aber vor dem eigenen Schatten davonlaufen, werden wir ihn auf die andern um uns herum projizieren. Dann führen wir Schattenkämpfe, die nicht weiterführen, sondern im Nebel enden. Wir werden mit unserem Schatten die Familie, die Firma, die Gemeinde, die Gesellschaft verdüstern. Wenn wir durch die Krise zu unserer eigenen Wahrheit vorstoßen, dann klärt sich auch etwas in unserer Umgebung, dann kann von uns Segen ausgehen, Heilung und Heil.
DURCHKREUZT
Krise ist immer ein Durchkreuztwerden. Unser Leben geht nicht einfach so glatt weiter. Etwas kommt uns in die Quere, von außen oder von innen. Was uns durchkreuzt, das bricht uns auf. Aber es kann uns auch zerbrechen. Kreuz ist nicht nur ein Bild für die Krise, sondern auch für das Scheitern. Scheitern und Krise sind nicht identisch. Die Krise ist mehr ein schmerzlicher Prozess, an dessen Ende neues Leben steht.
Scheitern heißt, dass etwas zerbrochen ist. Aber dennoch haben Krise und Scheitern miteinander zu tun. Das deutsche Wort „Scheitern“ kommt von „Scheit“ und meint spalten, scheiden. Und Krise heißt ja auch eigentlich Scheiden, Entscheiden. Im Abschied steckt das Wort
„scheiden“. Wenn ich scheitere, muss ich Abschied nehmen von meinem alten Lebenskonzept. Mein Lebensentwurf ist gescheitert, aber nicht ich als Person. Ich kann durch das Scheitern aufgebrochen werden zu neuem Leben, zu meinem wahren Selbst. Ja, das Scheitern kann mich auf radikalste Weise für Gott aufbrechen. In der Krise geht es letztlich auch darum, dass alles aus mir herausgeschieden wird, was nicht meinem wahren Wesen entspricht. Alles Sekundäre, alles, was ich habe, besitze, mein Erfolg, mein Ruf, meine Geltung, wird ausgeschieden, wird zerbrochen, damit das Eigentliche zum Vorschein kommt.
In jeder Krise muss etwas in uns sterben. Da sterben die Illusionen, die wir uns von unserem Leben gemacht haben, die Illusion, dass wir unser Leben selbst im Griff haben, die Illusion, dass wir durch ein angepasstes Leben allen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen, die Illusion, dass uns nichts passieren kann, wenn wir nur nach Gottes Geboten leben. In der Krise stirbt immer ein Stück Ego. Manche Mystiker meinen, wir müssten unser Ego vernichten, damit Gott in uns Raum bekommt. Doch es ist gefährlich, wenn jemand sein Ego zunichte macht. Das Leben selbst nimmt uns die Illusionen unseres Ego. Es bricht uns durch die Krisen und durch das Scheitern auf für Gott, aber auch für unser wahres Selbst, für das unverfälschte und einmalige Bild, das Gott sich von jedem von uns gemacht hat.
STANDHALTEN
Aus den Krisen soll Kraft erwachsen. Was ist Kraft? Das altgermanische Wort „kraft“ meint eigentlich „Geschicklichkeit, Fertigkeit, Kunst, Handwerk“. Es gehört zu einer indogermanischen Wortgruppe, die
„drehen, winden, sich zusammenziehen“ bedeutet. Für das Wort Kraft war die Vorstellung des Anspannens der Muskeln bestimmend. Aus der Krise kann eine neue Geschicklichkeit erwachsen. Ich kann lernen, mit meinem Leben auf neue Weise umzugehen. Es geht darum, die Kunst des Lebens zu lernen. Aber dazu ist es notwendig, dass ich meine Muskeln anspanne, nicht nur die körperlichen Muskeln, sondern die Kräfte meiner Seele. Sonst könnte die Krise auch ins Verderben führen, zum tödlichen Ausgang. Ich kann die Krise zwar nicht aus eigener Kraft lösen.
Aber ich muss auch selbst etwas tun, damit aus der Krise Kraft erwächst.
Ich muss durch die Krise hindurchgehen. Ich muss standhalten, anstatt zu flüchten. Und manchmal muss ich auch kämpfen, damit ich in der Krise nicht untergehe.
NEUES WIRD GEBOREN
In der Ijobgeschichte sehen wir, dass alles von der Deutung unserer Krise abhängt. Ijobs Freunde deuten seine Krise als selbstverschuldet. Weil er zu wenig fromm war, weil wir nicht richtig leben, weil wir uns nicht richtig
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