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Das Buch der Lebenskunst

Das Buch der Lebenskunst

Titel: Das Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Wesen vorstellen. Sie wollen uns im Himmel mit aufnehmen in den himmlischen Reigen. Der Kirchenvater Hippolyt nennt Christus den Vortänzer im himmlischen Reigen. Die Engel sind seine Mittänzer. Und sie laden jeden, der in die Herrlichkeit des Himmels gelangt, ein, mitzutanzen und im Tanz die reine Freude, die reine Freiheit und die reine Schönheit zu erleben.

    LERNE GENIESSEN
    „Wer nicht genießen kann, wird irgendwann ungenießbar.“ Das ist eine alte Lebensweisheit. Und jeder kennt vermutlich Beispiele, die diese Weisheit belegen.
    Askese gehört zu jedem spirituellen Weg. Askese ist die Lust, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, selber zu bestimmen, wann und wie viel man isst und trinkt. Bei manchen Menschen wird die Askese freilich zu einer Obsession. Sie haben keine Lust an der Askese. Ihre Askese entspringt vielmehr einer Lebensverneinung. Sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich etwas gönnen. Vor lauter asketischer Abstinenz werden sie unfähig, das, was Gott ihnen geschenkt hat, zu genießen.
    Beim Essen sehen sie sofort auf ihr Gewicht oder halten sich die gesundheit lichen Auswirkungen vor Augen. Oder sie denken daran, dass andere im gleichen Augenblick nichts zu essen haben. So gut es ist, mit den Armen solidarisch zu sein, so verkehrt wäre es, sich jeden Genuss mit dem Hinweis zu vergällen, dass es Menschen gibt, die hungern. Schon Teresa von Avila hat gesagt: „Wenn fasten, dann fasten. Und wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn.“ Wer sich den Kopf zerbricht, ob das Rebhuhn nicht zu teuer wäre, der kann es nicht mehr genießen. Und wer nichts mehr genießen kann, für den hat die Askese keinen Sinn. Die Askese macht aus ihm nur einen Griesgram, einen Lebensverneiner, einen in sich unzufriedenen Menschen, der sich nicht mehr freuen kann. Wirkliches Genießen verlangt allerdings Askese. Denn wer alles in sich hineinschlingt, der ist unfähig, das, was er isst, auch wirklic h zu genießen.
    Genießen wird nur der, der auch verzichten kann, der ein Gespür dafür hat, wann es Zeit ist, aufzuhören mit dem Essen und Trinken.

    ÜBUNG DER SORGLOSIGKEIT
    Die alten Mönchsväter sind Meister der asketischen Übung. Zu ihrer Übung gehören aber nicht nur Haltungen wie Demut oder Schweigen, sondern auch eine Haltung wie Sorglosigkeit. Der Mönchsvater übt Sorglosigkeit, indem er sich immer wieder vorsagt: „Ich habe keine Sorge.“ Er muss sich dieses Wort offensichtlich immer einsagen, da in seinem Herzen Gedanken der Sorge auftauchen. Kein Mensch ist wohl ohne Sorge. Ja, Martin Heidegger meinte, die Sorge sei das Grundexistential des Menschen. Der Mensch sei wesentlich einer, der sich sorgt. Doch indem ich mir in diese Sorge das Wort hineinhalte „Ich habe keine Sorge“, kann sich das Gefühl wandeln und in mir das Vertrauen auf Gottes Nähe wachsen. Hier wird also ein Weg angegeben, sich in das Vertrauen Gottes einzuüben. Ich rede mir nicht künstlich etwas ein, ich manipuliere mein Denken nicht. Ich rechne vielmehr damit, dass ich Sorgen habe. Aber ich versuche, die biblische Botschaft vom Vertrauen auf den Gott, der für uns sorgt, konkret einzuüben, indem ich es mir immer wieder sage: „Ich habe keine Sorge.“
    Was heute viele Psychologen beschreiben, dass man sich positive Worte, dass man sich Vertrauenssätze zuspricht (etwa im Autogenen Training), das haben die Mönche schon immer geübt. Wir könnten uns daran heute wieder erinnern.

    VERSUCHUNGEN
    Die alten Mönche verteufeln die Versuchungen nicht, im Gegenteil: Sie sehen sie durchaus positiv. Einer der Väter drückt es so aus: „Wenn der Baum nicht von den Winden geschüttelt wird, wächst er nicht und trägt keine Wurzeln. So ist es auch mit dem Mönch: Wenn er nicht versucht wird und die Versuchung nicht erträgt, wird er kein Mann“.
    Es ist wie in der Geschichte von der Palme: Ein böser Mann ärgerte sich über eine junge schöne Palme. Um ihr zu schaden, legte er ihr einen großen Stein in die Krone. Doch als er nach Jahren vorbeikommt, ist die Palme größer und schöner geworden als alle anderen rings herum. Der Stein zwang sie, ihre Wurzeln tiefer in die Erde zu graben. Und so konnte sie auch höher emporwachsen. Der Stein wurde zur Herausforderung für sie. So sind auch die Versuchungen eine Herausforderung für den Mönch.
    Sie zwingen ihn, seine Wurzeln tiefer in Gott hineinzutreiben, sein Vertrauen immer mehr auf Gott zu setzen. Denn sie zeigen ihm, dass er aus eigener Kraft nicht mit den Versuchungen fertig wird.

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